Steinhauer, Franziska
mich bitte sofort an!“
„Ich kann sehr gut allein nach Hause fahren! Für Kindermädchen bin ich zu alt!“
Yvonne atmete tief durch und stand auf.
„Sie haben Fieber“, stellte sie sachlich fest, als sie Klapproth zum Abschied die Hand schüttelte. „Kriege ich auch leicht bei Stress!“
Ihre Schritte waren den Gang entlang bis zum Fahrstuhl zu hören.
Klapproth gab einem Kollegen ein Zeichen, dem Mädchen zu folgen.
„Er liebt dich, Mädchen! Warum sollte er dich nicht mitnehmen wollen?“, flüsterte Klapproth ihr tonlos nach.
Sie sah sich um.
Der Raum war voller Beamter, die mit Akten unter dem Arm hin und her liefen. Monitore flackerten, Computer surrten. Überall herrschte hektischer Betrieb.
Nur die Amokläufer verhielten sich still.
Lauerten.
Klapproth bekam eine Gänsehaut.
„Irgendetwas stimmt hier nicht!“
„Maja, du bist zu ungeduldig. Wir haben noch fünfunddreißig Minuten Zeit. Warum sollten sie das Risiko eingehen, entdeckt zu werden? Sie warten bis zum letzten Moment“, meinte Paulsen.
„Ich glaube, Mario wartet auf Yvonne. Was, wenn er sie nun unbedingt mit sich in den Tod nehmen will und sie nicht findet?“
„Na, wenn er seine Freundin und sich selbst umbringenmöchte, hätte er das ja auch an irgendeinem anderen Tag tun können! Ausgerechnet am 11.11., wo sowieso viel los ist! Wir hätten auch ohne diese Attentatsankündigung alle Hände voll zu tun! Auf dem Alter Markt ist die Hölle los! Und dann noch dieses Treffen des Städtetags, weil der OB seinen Kollegen unbedingt den Auftakt zum Karneval zeigen wollte und zu einer Veranstaltung im St.Peter eingeladen hat!“, murrte ein Beamter der Schutzpolizei, der zufällig an ihnen vorbeiging.
„Satanisten mögen keinen Karneval!“ Maja Klapproth starrte einen Augenblick lang vor sich hin, dann sprang sie auf und griff nach ihrer Jacke. „Die Schule ist nicht das Ziel! Wir haben uns getäuscht. Es ist der Alter Markt!“
Malte Paulsen starrte sie an. Er war aschfahl im Gesicht geworden.
„Was ist? Los, komm! Mario und Julian sind bei der Eröffnung des Karnevals!“
„Nicht nur sie“, ächzte Paulsen, „auch Michaela und Tausende andere Leute.“
„Wieso Michaela?“
„Michaela geht heute als Bücherwurm zu dieser Veranstaltung im St. Peter! Sie gehört zu den geladenen Gästen!“
„Scheiße!“
Im Laufschritt erreichten sie ihren Wagen.
„Es sind ausreichend Beamte vor Ort!“, rief Dr. Glück ihnen aus dem Fenster nach.
Noch dreißig Minuten.
Die Überwachungskameras behielten die fröhlichen Jecken im Fokus.
Zufrieden betrachtete Einsatzleiter Richard Weber die Bilder, die auf seinem Monitor zusammenliefen. Alles verlieffriedlich und stressfrei. Er biss herzhaft in sein Salamibrötchen und wischte nachlässig die heruntergerieselten Brösel von seinem Trommelbauch.
Gerade als er ein zweites Mal abbeißen wollte, erfasste die Kamera im Eingangsbereich einen Wagen, der mit quietschenden Reifen in der Halteverbotszone zum Stehen kam. Noch ehe seine Beamten einschreiten konnten, waren die beiden Insassen auch schon herausgesprungen und ins Gebäude gerannt. Auf dem Monitor beobachtete er ihren Weg von Kamera zu Kamera.
Sie kamen direkt auf seinen Kontrollraum zu!
Empört legte er das Brötchen zur Seite, wühlte sich aus dem Schreibtischstuhl und stellte sich beherzt mit entschlossener Miene den Eindringlingen entgegen, die kurzerhand die Tür aufstießen.
„Halt! Polizei!“, brüllte er ihnen ins Gesicht.
„Selber!“ Paulsen zeigte seinen Ausweis.
Einen Moment lang war Richard Weber zu verblüfft, um antworten zu können.
Wortlos trat er zur Seite.
Sie schlossen die Tür und sperrten die laute Musik, das Lachen und die närrische Fröhlichkeit aus. Im Kontrollraum bemerkte man kaum etwas von dem lebhaften Treiben im Rest des Hauses – die Bilder auf den Monitoren schienen eine Welt zu zeigen, die von der ihren Lichtjahre entfernt war.
„Wir befürchten, dass sich zwei Amokschützen in diesem Gebäude aufhalten“, erklärte Klapproth.
„Hier? Unter den Gästen? Das ist nicht möglich! Heute kommt man nur mit persönlicher Einladung rein. Selbst die Kindergruppen wurden gecheckt!“
„Sie sind hier! Verlassen Sie sich darauf! Für Diskussionenbleibt uns außerdem keine Zeit mehr!“, stellte Klapproth klar.
„Wenn Sie sich so sicher sind, dann sehen wir einfach mal nach! Unsere Kameras sind überall. Wenn die beiden hier sind, dann finden wir sie auch!“, antwortete Weber
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