Steinhauer, Franziska
jeher schlecht zu schließen gewesen, erinnerte er sich. Beim Öffnen hatte sie immer erst störrisch geknarzt und war dann beim Schließen mit einem lauten Knall ins Schloss gefallen.
Genau wie jetzt.
Mit zwei Schritten erreichte er das Fenster und starrte mit zusammengekniffenen Augen auf den Hof hinunter. Seine mühsam unterdrückte Wut flammte erneut auf. Mit wenigen Sätzen war er die Treppe hinuntergesprungen und riss Sekunden später die Küchentür zum Hof auf.
Es war niemand zu sehen.
Aber zu hören!
Deutlich drangen Stimmen aus dem Schuppen zu ihmherüber. Das war ja wohl der Gipfel der Dreistigkeit! Womöglich pinselten die Dorfagitatoren die Buchstaben, mit denen sie ihn verjagen wollten, gleich hier in seinem Schuppen auf ihre unsäglichen Transparente – oder am Ende an die Wände!
Zitternd vor Zorn streckte er die Hand nach der Klinke aus.
14
„Robert?“, zischelte die Stimme am Handy, und der junge Mann riss sich erschrocken das kleine Telefon vom Ohr. Sein Puls raste, und er bekam plötzlich keine Luft mehr.
„Robert! Nun lass endlich den Blödsinn und melde dich gefälligst! Hier spricht deine Mutter!“
Das allerdings war Robert nicht entgangen.
„Ja?“
„Na, mein Kleiner, wie geht es dir denn? Kommst du in Köln zurecht?“
Robert überlegte unterdessen fieberhaft. Was konnte die alte Vettel nur von ihm wollen? Zum Teufel, dachte er und grinste dabei.
„Gut.“
„Oh – sehr gesprächig bist du heute ja nicht. Andererseits sprichst du schon seit Monaten nicht mehr mit mir!“
„Nein.“
Was hatte er mit dieser Frau auch noch zu besprechen, fragte er sich, sie war der Hort seiner schlimmsten Albträume.
„Robert! Nun stell dich nicht so an! Alle Eltern machen Fehler bei der Erziehung ihrer Kinder. Das ist nichts, was man ihnen nach so vielen Jahren noch vorhalten oder nachtragen sollte!“
„Nein? Bist du sicher?“
„Ja, ich bin sicher!“, fauchte sie ihn an, sodass Robert das Handy weiter vom Ohr wegnahm.
„Lassen wir das. Ich höre, du bist nicht in der Stimmung für ein ernsthaftes Gespräch.“
Robert hustete. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals auch nur ein ernsthaftes Gespräch mit dieser Frau geführt zu haben, die ihm fremd und gleichzeitig so entsetzlich vertraut war. Kein Kind sollte das Pech haben, an solch eine Mutter zu geraten, brutal, eiskalt und unversöhnlich, dachte er noch, dann fuhr die schnarrende Stimme schon fort: „Nun, ich rufe dich selten an – aber wenn ich es tue, dann ist es wichtig. Ich hoffe, das ist dir bewusst!“
Robert wurde es schwindlig, und er stellte fest, dass er über längere Zeit hinweg die Luft angehalten hatte. Röchelnd atmete er mehrmals tief ein.
„Geht es dir nicht gut? Robert, du weißt, du bist ein bisschen schwächlich.“
„Ja.“
„Also, weißt du, wo Manuel ist?“
„Nein.“
„Er hat nicht zufällig versucht, mit dir Kontakt aufzunehmen?“, fragte sie lauernd.
„Nein.“
„Sollte er sich mit dir in Verbindung setzen, dann gib mir Bescheid!“
Robert schwieg.
„Lass dich nicht wieder mit ihm ein. Er ist gefährlich!“ Das wusste Robert spätestens seit Manuels erstem Versuch, ihn in der Badewanne zu ertränken.
Er dachte auch an seinen fünften Geburtstag. Manuel, dessen entstellende Wunden am Kopf schon gut verheilt waren, hatte ihm feierlich einen Schuhkarton überreicht.
Als er ihn geöffnet und entdeckt hatte, was darin lag, hatte er sich erbrechen müssen.
„Aber das verstehe ich jetzt nicht!“, hatte Manuel vor lauter Lachen gewiehert. „Du hast dir doch einen Hund gewünscht! Einen frischeren habe ich leider nicht gefunden.“
Robert beerdigte das Tier schluchzend im Garten, als sein Bruder endlich gegangen war.
Ja, Manuel war gefährlich.
Man musste sich vor ihm in Acht nehmen.
Dennoch glaubte Robert, letztendlich weniger in Gefahr zu sein als alle anderen, die es mit Manuel zu tun bekamen.
„Er hätte schon vor Jahren einen Psychiater gebraucht. Aber er wollte ja nicht. Ich warne dich, Robert, er ist aus Frankfurt verschwunden, wohl schon seit längerer Zeit. Du weißt, dass er Menschen nicht leiden kann!“
„Was du nicht sagst.“
„Erzähl ihm nicht, dass ich dich angerufen habe.“ Jetzt klang ihre Stimme ängstlich.
„Ich verstehe, du willst dein anderes Auge nicht auch noch verlieren“, kicherte Robert.
Er klappte das Mobiltelefon zusammen und schob es in die Tasche zurück.
Keine Frage, der Umgang mit Manuel war voller Risiken.
„Er ist
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