Steinhauer, Franziska
tot.“ Staunen stand in Marios Gesicht geschrieben.
„Was? Wer?“
„Der Penner! Es kam in den Nachrichten. Sie haben ihn gefunden. Er ist tot.“
„Dann haben wir ihn doch … wow, wir haben ihn umgebracht?“ Julians Züge verklärten sich.
„Wir haben diesen Penner erschlagen und es noch nicht einmal bemerkt! Ich dachte immer, man spürt es, weißt du, so wie das Umlegen eines Schalters, wie ein Klick im Kopf. Aber nun … Ist es nicht direkt ein bisschen schade, dass er so unbemerkt gestorben ist?“, grübelte Mario.
„Möchtest du eine zweite Chance?“, wollte Julian mit fiebrig glänzenden Augen wissen.
„Ja, beim nächsten Mal sollte es ein bisschen anders laufen. Bewusster. Mann, seit heute sind wir Mörder!“ Mario schwieg eine Weile. „Hast du dich nicht auch ein bisschen erschreckt? Heute Morgen?“
„Nein, wieso?“
„Wir haben vorher noch nie so etwas gemacht – und nun haben wir einen Typen zusammengeschlagen, den wir überhaupt nicht gekannt haben.“
„Und?“ Julian sah Mario fragend an.
„Es hat uns beiden Spaß gemacht!“
„Ja.“ Er sah versonnen auf seine Hände. „Mörderhände!“, grinste er dann. „Wie der Kerl sich gewunden hat! Das war eine irre Sache. Hast du als Kind nie Regenwürmer durchgeschnitten?“
„Nein. Aber ich habe Schwimmversuche mit Schnecken gemacht“, erzählte Mario.
„Ich denke, das lässt sich durchaus miteinander vergleichen. Der Penner war nicht mehr als eine Schnecke oder ein Regenwurm. Und weil wir das insgeheim gewusst haben, haben wir ihn ausgelöscht!“
„Was tun wir, wenn die Polizei uns findet?“
„Hä? Wieso soll die Polizei überhaupt auf den Gedanken kommen, dass Julian Baier und Mario Hilbrich dafür als Täter infrage kommen? Spinnst du?“
„Die haben doch so ausgefeilte Methoden. Ich glaube,heutzutage wird fast jeder Mord aufgeklärt.“ Marios Stimme klang plötzlich besorgt.
„Quatsch. Wie sollten sie denn ausgerechnet auf uns verfallen? Wir sind nicht polizeilich erfasst. Wir hätten sogar eine ganze Latte von Fingerabdrücken hinterlassen können und wären trotzdem unauffindbar, weil sie keine Vergleichsspuren haben! Sei kein Idiot! Niemand kommt auf uns!“
Mario lächelte erleichtert. Julian hatte ja Recht. Niemand würde sie beide je verdächtigen, der Gedanke war abwegig.
„Hunter und Meneater haben sich bewiesen – im echten Leben! Ohne Avatar! Ganz real!“
Marian, Claudia und Tonio sitzen am Ufer des kleinen Sees und starren über die graue, kalte Wasserfläche. Nicht mehr lange, und die Kälte würde das Wasser zu Eis gefrieren lassen.
In St. Gertraud kam der Winter früh und der Sommer spät. Wenn die Menschen in Meran und Bozen schon längst wieder im Freien saßen und Cappuccino und Prosecco tranken, trugen sie hier oben noch immer ihre Winterjacken.
Für alle drei war es beschlossene Sache: Nach der Schule würden sie das Dorf verlassen und dorthin ziehen, wo das Leben pulsierte.
Von ihren Großeltern wussten sie, dass es schon immer ziemlich langweilig in St. Gertraud war. Nur damals, nach dem Mord an der Platzgrummer, kam für ein paar Wochen etwas Abwechslung ins Dorf. Ständig traf man die Polizei in den Straßen an, Gerüchte über neue Verdächtige kursierten, Leute waren befragt worden und erzählten bereitwillig Geschichten – wahre und erfundene. Man konnte bei den Ermittlungen zusehen, der Einbruch wurde nachgestellt, und jeder Tag brachte neue Überraschungen. Die größte war natürlich die Verhaftung des Pfarrers gewesen.
Damals hatte das gesamte Dorf den Atem angehalten. Aber durch den Mord verschlechterte sich das Klima innerhalb der Gemeinde insgesamt, und seither traute keiner mehr dem anderen über den Weg.
Marian seufzt.
Und nun werden sie, so viele Jahre nachdem jemand diese alte Frau umgebracht hat, noch immer Opfer dieser Tat und ihrer Nachwirkungen! Es war einfach ungerecht!
Ihre Mutter hat ihr verboten, mit Markus nach Bozen in die Disko zu fahren. Die deutschen Männer seien alle gleich, und kein anständiges Mädchen würde sich mit ihnen einlassen! Markus’ Vater habe damals auch ein Motorrad besessen, hat sie noch vielsagend hinzugefügt, als sei jeder, der damals eines besessen habe, automatisch verdächtig.
Marian wirft gezielt einen Kieselstein nach einer dicken Saatkrähe.
Unbeeindruckt hüpft der große Vogel ein Stück zur Seite und guckt böse zu der Gruppe Jugendlicher hinüber.
„Es ist einfach nichts los hier. Und nach dem Tod der Maria
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