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Steinhauer, Franziska

Steinhauer, Franziska

Titel: Steinhauer, Franziska Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angst
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Ausgestoßene.
    Sicher wären die Gumperkinder bei ihr in guten Händen, aber eben auch stigmatisiert.
    Noch einmal untersucht er die roten Punkte um Marias Augen. Dann setzt er der Sache entschlossen ein Ende.
    Der Stift malt das Kreuz wie von selbst.
    Todesursache „natürlich“.
    Jakob drehte sich zu der kleinen Kirche um.
    St. Helena.
    Früher hatte er die Kirche und das Pfarrhaus daneben von hier aus gut durch die Bäume hindurch sehen können, doch heute wurde sie von Zweigen fast verdeckt. Im Sommer verschwand sie wahrscheinlich vollständig hinter dem Laub. Er seufzte und ließ seinen Blick über das Tal wandern. Am Hang gegenüber, oberhalb der Feuerwehr, wurde einer der alten Höfe renoviert. Wahrscheinlich würde er auch zu einem Hotel ausgebaut werden, dachte er flüchtig, während er versuchte, sich daran zu erinnern, wer dort früher gewohnt hatte. Es fiel ihm nicht mehr ein.
    Es gab keinen Grund, noch länger zu zögern.
    Mit feuchten Händen öffnete er die Tür und betrat sein Haus.
    Unheimlich und zugleich vertraut.
    Einsam, aber voll lebendiger Erinnerungen.
    Stille.
    Ein Hund wäre schön. Er würde Leben in diese Räume bringen, mit seinem Gebell die Ruhe beenden und mit seiner Fröhlichkeit alle belastenden Gedanken vertreiben. Jakob beschloss, Waltraud nach einem Züchter in der Gegend zu fragen. Ein Hund würde wohl auch die Störenfriede aus dem Dorf davon abhalten, weiterhin ihre Plakate und Transparente auf seinem Grund und Boden anzubringen. Und ein wachsames Tier gäbe Helene möglicherweise auch das Gefühl von Sicherheit, das sie brauchte, um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen.
    Jakob fröstelte.
    Im Haus war es noch kälter als draußen.
    Mit energischen Schritten lief er durch die Räume im Erdgeschoss. Fast alle Dinge standen noch an ihrem angestammtenPlatz. Nur Marias Krankenbett unter dem Fenster im Wohnzimmer hatte jemand weggeräumt. Waltraud wahrscheinlich, überlegte Jakob und war ihr dankbar dafür. Er spürte, wie ihm die Tränen über die Wangen liefen. Entschlossen wischte er sie fort. Getrauert hatte er in den letzten Jahren genug – nun war es an der Zeit, sich neu zu orientieren.
    Steif durchquerte er den Raum, der für so viele Monate Marias Krankenstube gewesen war, und riss Fenster und Läden weit auf, damit Sonne und Luft hereinströmen konnten.
    Dasselbe Fenster, durch das Leopold damals den Mord beobachtet haben wollte.
    Unbarmherzig flutete das Licht in die Stube, fiel auf zerschlissene Teppiche und hässliche, wuchtige Polstermöbel, die seine Eltern schon von ihren Eltern geerbt hatten. Waltraud hatte gründlich Staub gewischt. Nichts deutete darauf hin, dass das Haus lange Jahre unbewohnt war. Stumm sah er sich um. Glaubte Marias Stimme zu hören, als hätten die Wände sie aufgenommen, um sie nun, nachdem sie endlich wieder einen Zuhörer hatten, wieder abgeben zu können.
    Jakob schauderte.
    Zügig inspizierte er die anderen Räume.
    Aus dem Schlafzimmer waren Marias gesamte persönliche Sachen verschwunden! Alle Kleider, Schmuck, ja sogar der silberne Rahmen, in dem sein Bild auf ihrem Nachttisch gestanden hatte. Einzig das Foto lag noch dort, die Ränder gewellt und nach oben gebogen, als habe es versucht, davonzufliegen.
    Bebend vor Zorn stapfte er in das kleine angrenzende Bad. Auch dort war alles verschwunden, was Maria gehörthatte – selbst der winzige Glasflakon mit ihrem Lieblingsduft und die blaue Seife, deren Lavendelgeruch ihm früher so missfallen hatte!
    „Waltraud!“, polterte er in sein Handy. „Wer hat Marias Kleider und alles, was sonst noch ihres war, aus meinem Haus geschleppt?“
    „Reg dich nicht so auf, Jakob, bitte. Es war Berta! Sie hat Marias Sachen mitgenommen – sie durften ihrer Meinung nach nicht im Besitz des Mörders bleiben. Du weißt doch, sie hat zu hundert Prozent geglaubt, was Leopold berichtet hat!“
    „Das gibt ihr noch lange nicht das Recht, alles an sich zu reißen! Das ist Hausfriedensbruch, Raub!“
    „Was sollte ich denn tun? Du warst weg, die Kinder auch, Maria tot – und vor mir stand eine große Frau, die zu allem entschlossen war. Ich habe sie gewähren lassen. Und sie war fuchsteufelswild, weil sie den Ehering nicht finden konnte!“
    „Den konnte sie auch nicht finden! Ebenso wenig wie das Medaillon mit unserem Hochzeitsfoto. Dieses Monster!“
    „Jakob – versuch doch auch Berta zu verstehen! Schließlich war sie wirklich von deiner Schuld überzeugt! Und sie ist es noch!“
    „Mir ist

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