Steinhauer, Franziska
denn nicht, was da passiert ist? Niemals würde Julian mich, seine Mutter, freiwillig verlassen. Er weiß doch, dass ich mich um ihn sorge!“ Nun weinte sie leise.
„Mario hat seine Eltern ebenfalls informiert.“
„Ja, auch alles Lügen. Glauben Sie mir, unsere Söhne schweben in Lebensgefahr!“
Ihre Wimperntusche war nicht wasserfest.
Schwarze Rinnsale zogen sich über ihr Gesicht.
Maja Klapproth sah Frau Baier skeptisch an.
Noch während sie versuchte, sich darüber klar zu werden, was sie von diesem Fall halten sollte, klingelte das Telefon, und Malte Paulsen nahm das Gespräch an.
Lag hier wirklich eine Entführung vor, oder hatte sie es mit einer Mutter zu tun, die einfach den Tatsachen nicht ins Auge sehen konnte?
Paulsen gestikulierte wild in ihre Richtung.
Es dauerte eine Weile, bis sie begriff, was seine Bewegungenbedeuteten: Am Telefon war der Leitende Staatsanwalt Dr. Jan-Dirk Glück und wollte sie sprechen!
„Mario! Ich bin so froh, dass du dich meldest!“ Yvonne wäre vor Freude beinahe in Tränen ausgebrochen.
„Yvonne, es tut mir leid. Ich hätte mich früher melden sollen! Aber ich musste mich hier erst ein wenig einfinden, es ist so viel passiert in letzter Zeit. Und natürlich habe ich nicht geahnt, was für einen Aufriss Julians Eltern in Köln veranstalten würden!“
„Geht es dir gut? Wirklich gut?“, wollte Yvonne wissen. „Ja. Wirklich. Es ist nur dummes Geschwätz, was in den Zeitungen steht. Entführung! So ein Scheiß! Wir sind freiwillig hier. Nur du fehlst mir!“
„Wann können wir uns treffen?“
„Ich bin nicht in Köln. Aber hier ist es sehr schön.
Schnee liegt auch schon. Na ja, ein bisschen jedenfalls.“
„Gib mir deine Adresse, dann kann ich dir schreiben. Und dein Handy funktioniert auch noch!“
„Yvonne, hör zu: Ich werde dir nicht verraten, wo wir sind. Die Polizei wird uns von hier wegholen wollen – und Julian und ich möchten bleiben! Man wird uns in Kürze als echte Mitglieder aufnehmen. Es ist besser, du weißt nichts, dann musst du nicht lügen, wenn die Polizei dich fragt.“
„Ach, Mario!“ Yvonnes Stimme war tränenschwer.
„Ich werde ab jetzt engen Kontakt mit dir halten, versprochen. Aber versuch nicht, mich anzurufen. Das Handy wird nur eingeschaltet sein, wenn ich mich bei dir melden möchte. Und – mach dir bloß keine Gedanken wegen anderer Frauen! Wir sind bisher ein reiner ,Männerklub‘!“
„Komm nach Hause, Mario!“, bettelte Yvonne.
„Nein, das geht im Moment nicht.“ Unglücklich dachteer daran, wie er den Obdachlosen bespuckt hatte. Bisher wusste noch niemand von dieser leichtsinnigen Aktion, und Julian schien nichts davon bemerkt zu haben. Zum Glück war der Tote jedoch nackt aufgefunden worden, offensichtlich hatte die Polizei die Kleidung und den Rucksack des Opfers bisher nicht gefunden. Hoffentlich würde das auch so bleiben, dachte Mario besorgt.
„Dann komme ich zu dir! Ich werde auch ein Kind Lucifers! Du bringst mir alles bei, was ich wissen muss!“
„Das ist eine gute Idee. Gib mir ein bisschen Zeit. Für mich ist doch auch alles neu.“
In Yvonne keimte ein Verdacht auf. „Sag mal, Mario, hast du was angestellt?“
„Vielleicht. Darüber möchte ich aber nicht am Telefon mit dir sprechen“, wiegelte Mario, wie es Yvonne schien, kleinlaut ab, und ein unglaubliches Szenario folgte in ihrer Fantasie dem nächsten. Mario mit schwarzer Maske bei einem Banküberfall, Mario im Liebestaumel mit einer wilden satanistischen Schönheit in Lack und Leder, Mario, der das Konto mit den Ersparnissen seiner Eltern plünderte – sie hätte die Liste endlos fortführen können.
„Mario, was auch immer du angestellt hast, wir können das regeln! Komm nach Hause! Wir finden einen Weg! Bestimmt!“ Sie konnte die Tränen nun nicht mehr zurückhalten und schluchzte laut.
„Yvonnchen, das geht nicht. Wir werden uns schon sehr bald hier treffen. Dann wohnst du in meiner Nähe, wir sehen uns jeden Tag, und wenn du willst, bleiben wir dann für immer zusammen. Da du dich jetzt entschlossen hast Hexe zu werden, gibt es keinerlei Schwierigkeiten mehr.“ Er war sich dessen jedoch keineswegs sicher.
Yvonne kicherte.
„Warum geht das nur bei dir und nicht in Köln?“
„Weil du mich sonst, wenn ich Pech habe, in den nächsten fünf bis zehn Jahren im Knast besuchen müsstest!“, gab Mario zornig zurück.
Maja Klapproth kam zwei Stunden später blass von der Obduktion des Säuglings
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