Steinhauer, Franziska
Erinnerung.
„Tja, sieht so aus, als hätte dir jemand eins über den Schädel gezogen. Jetzt hast du jedenfalls einen beeindruckenden Turban.“ Ein zaghaftes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht.
Jakob erkannte jedoch an der Länge ihres Berichts, welche Angst Helene durchlitten haben musste. Seit Jahren hatte sie nicht mehr so viele Worte am Stück mit ihm gesprochen. Nun, wenn der Schlag dazu geführt hatte, ihr die Sprache wiederzugeben, dachte er mühsam, dann war es die Sache wert.
Waltrauds besorgtes Gesicht erschien über Helenes Scheitel.
„Du lieber Himmel, Jakob! Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt! Kannst du dich erinnern, wer bei dir im Haus war?“
Jakob schloss die Augen.
„Nein“, antwortete er nach langer Pause schleppend, „ich habe niemanden gesehen, nur Marias Stimme gehört.“
„Weißt du noch, wen du mit dem Glas beobachtet hast?“
„Ja“, antwortete er und spürte Übelkeit in sich hochsteigen, „die Satanisten. Sie haben Kisten ausgeladen.“
„Vielleicht war es ja einer von denen? Die haben bemerkt, dass du sie ins Visier genommen hast, und haben einen zu dir rübergeschickt.“
„Vielleicht.“
Die umsichtige Waltraud bemerkte die zunehmende Blässe in Jakobs Gesicht.
„Komm, Kindchen, wir lassen deinen Vater jetzt besser ein wenig in Ruhe.“
Helene erhob sich von der Bettkante, und Waltraud schob einen Eimer näher ans Bett heran.
„Nachher möchte ein Commissario Mendetti noch mit dir sprechen. Vorsicht, Helene, stoße nicht an den Eimer, da ist Wasser drin.“
Als Helene durch die Tür verschwunden war, umfasste Jakob das Handgelenk seiner Schwägerin.
„Waltraud – Maria war da. Sie hat mit mir gesprochen, bevor ich den Schlag auf den Kopf bekam. Wirklich. Maria war da!“
25
Berta sang bei der Zubereitung des Abendessens.
Das war so ungewöhnlich, dass ihr Vater eilig nachsah, ob es seiner Tochter auch wirklich gut ging.
Nachdenklich betrachtete Peter Pumpa den beeindruckenden Rücken seiner ältesten Tochter, die am Herd stand und Bratkartoffeln wendete. Er seufzte tief. Eine so stattliche Frau wie sie hätte viele Enkel in die Welt setzen können, die Statur dazu hatte sie allemal. Gut, sie war nicht ganz so eindrucksvoll wie die Riesin aus Ridnaun, die so groß war, dass sie selbst in Amerika auf Jahrmärkten zur Schau gestellt wurde, aber seine Berta war auch sehr imposant. Schade nur, dass sie keinen Mann gefunden hatte, als noch Zeit dazu gewesen wäre. Immerhin war die Maria unter die Haube gekommen, wenn auch nur für ein paar Jahre, bis ihr nichtsnutziger Mann sie umgebracht hatte.
Nun, die Berta würde jetzt bei ihm bleiben und ihm den Haushalt führen. Und was nach seinem Tod werden würde, lag in Gottes Hand.
„Du bist ja so fröhlich. Gibt es einen Grund zu feiern?“ Berta fuhr erschrocken herum.
„Jemand hat dem Jakob mit einem Holzscheit eins übergezogen. Der Commissario glaubt, es könnte einer von dieser satanistischen Sekte gewesen sein“, kicherte sie albern und errötete leicht.
„Und warum sollte jemand aus dem Haus des Teufels soetwas getan haben?“, fragte Peter Pumpa ungläubig und deutete vage in Richtung des übernächsten Hauses.
„Nun.“ Berta zog einen Schmollmund. „Er hat diese Teufelsanbeter wohl mit seinem Fernglas beobachtet, das mochten die offensichtlich nicht, haben sich rübergeschlichen und ihm einen Denkzettel verpasst. Er sollte eben seine Nase besser nicht in anderer Leute Angelegenheiten stecken“, strahlte sie.
Peter Pumpa war leicht beunruhigt. Trotz allem Verständnis dafür, dass sich Berta über den Angriff auf den Mörder ihrer Schwester freute, konnte er ein Missbehagen nicht unterdrücken. Das seltsame Glitzern in ihren Augen schien ihm mordlüstern. Und Morde, dachte er, hatten sie in St. Gertraud schon entschieden genug gehabt.
„Woher wissen die Leute das? Wer hat den Jakob eigentlich gefunden?“
„Dr. Gneis. Er wollte ihn besuchen, die Tür stand offen, er ging hinein und fand ihn in Helenes Zimmer auf dem Boden liegen. Ein blutverschmierter Scheit Feuerholz daneben. Im Dorf erzählen sie, der Jakob sei mehr tot als lebendig gewesen“, trällerte sie und schlug vier Eier in eine Pfanne.
„Aber woher weiß man, dass die Satanisten dahinterstecken?“ Der Vater zog einen Stuhl heran und setzte sich an den Küchentisch.
„Nun, weil der Jakob sie eben beobachtet hat! Und wer mit dem Teufel im Bunde ist, findet immer einen Weg ins Haus des Feindes!“,
Weitere Kostenlose Bücher