Steinhauer, Franziska
war gemütlich eingerichtet. An den Wänden hingen farbenfrohe Impressionen aus Italien. Der Pizzaofen stand direkt im Gastraum – so konnte man zusehen, wie die bestellte Variante zubereitet wurde –, und der typische Geruch von Knoblauch, Tomaten und Käse zog sich durch den ganzen Raum. Schade,dass ich beruflich hier bin, dachte Klapproth und begann, sich ihre Fragen für das Gespräch mit Yvonne zurechtzulegen.
„Mario hat seine Eltern angerufen.“
„Das ist doch gut. Dann wissen sie ja jetzt, wo er ist!“
„Leider nicht. Wir wissen nur, dass es ihm entsprechend seiner Aussagen gut geht, er freiwillig von zu Hause weggegangen ist und es weder Entführer noch eine Entführung gibt.“
Der Kellner brachte den bestellten Rotwein, der samtig in den großen Kelchen glänzte.
„Natürlich könnten die Entführer ihn auch gezwungen haben, diesen Text zu sprechen. Alles ist denkbar.“
Yvonne schwieg lange und ließ die träge Flüssigkeit in ihrem Glas kreisen.
„Diese Kinder Lucifers haben großen Eindruck auf Mario gemacht. Vielleicht ist er bei ihnen?“, mutmaßte sie dann.
„Das haben wir auch angenommen. Doch die Gruppe hat offensichtlich ihre Zelte hier abgebrochen.“
„Haben sie sich etwa aufgelöst?“ Hatten sich Yvonnes Augen gerade geweitet, oder bildete Klapproth sich das nur ein?
„Ihre Telefonnummer ist gesperrt, und wenn man an der Haustür klingelt, öffnet niemand. Nur die Wachhunde bellen.“
Der Kellner servierte Gnocci Gorgonzola für Yvonne und eine Pizza Hawaii für Klapproth.
„Wären die beiden schon volljährig, könnten sie mit dieser Sekte ziehen, wohin sie wollen. Aber da sie erst siebzehn sind, wird die Polizei sie suchen und nach Hause zurückbringen.“Yvonne funkelte die Ermittlerin wütend an.
„Ach ja! Und dann sind sie zwei Tage bei ihren Eltern, ruhen sich aus und verschwinden wieder! Wer nicht bleiben will, den kann man auch nicht halten!“
„Du magst Marios Eltern nicht.“
„Nein. Wie auch? Sie haben ihn geschlagen und ständig versucht, unsere Beziehung zu hintertreiben. Und ich verstehe, dass er es bei ihnen nicht mehr ausgehalten hat!“
„Du glaubst also nicht mehr an eine Entführung? Warum nicht, was hat sich seit unserem letzten Gespräch geändert?“
„Ich habe eben nachgedacht. Marios Eltern haben kein Geld. Sie könnten gar kein Lösegeld bezahlen. Mario zu verschleppen wäre sinnlos.“
„Julians Eltern haben aber Geld.“
„Die beiden sind nicht aus Versehen zusammen gekidnappt worden. Das ist Blödsinn! Das Risiko wäre für die Entführer unkalkulierbar geworden!“
„Julians Mutter ist davon überzeugt, dass man die beiden als Söldner verkaufen möchte. Nach Afghanistan zum Beispiel.“
„Wer sollte denn für Julian etwas bezahlen? Er ist doch eine sportliche Niete. Mario, gut, der ist muskulös und durchtrainiert. Aber Julian, nein, der wäre ein Ladenhüter!“
Sie stocherte in ihren Gnocci herum.
„Die beiden sind wie Brüder. Mario hat sich verändert.
Er sieht die Dinge jetzt anders. Zum Beispiel lässt er sich von seinen Eltern nicht mehr ausnutzen, er wehrt sich gegen seinen brutalen Vater und gegen seine Mutter, die ihn nie unterstützt oder wenigstens mal beschützt hat. Das ist neu an Mario. Ich werde mich daran gewöhnen, es gefällt mir.“
„Yvonne, du kannst mir jetzt helfen.“
„Wie denn?“
„Ich weiß, dass Mario dich liebt. Er lässt seine Freundin nicht im Ungewissen über sein Schicksal. Seine Eltern hat er angerufen, und ich glaube, dass er auch mit dir telefoniert hat.“
Yvonne konzentrierte sich auf ihr Essen.
Klapproth schwieg ebenfalls und gab vor, sich ihrer Pizza zu widmen.
„Mario liebt mich, das stimmt. Und daran ändert auch die Einflussnahme der Satanisten nichts.“
„Die Lehre Satans gründet nicht gerade auf Liebe. Das wird schwierig werden.“
„Ich weiß, Sie halten Marios Verhalten für pubertär. Aber das ist es nicht. Er hat einfach die zu ihm passende Philosophie gefunden! Eine, die genau das erklärt, was er empfindet, die Namen und Begriffe dafür hat. Die ihm erlaubt, seinen wahren Gefühlen freien Lauf zu lassen, ohne sich dafür schuldig fühlen zu müssen. Ich bin sicher, er hat seine Familie schon lange gehasst – konnte dieses Gefühl aber nie zugelassen, weil er sich dafür geschämt hat. Mit Satan war es plötzlich ganz einfach!“
„Die soziale Kontrolle fällt weg?“
„Ja , zumindest ein Stück weit. Für diese Menschen sind Dinge vollkommen
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