Stella Blomkvist
dir das nicht gesagt?«
»Was?«
»Dass sie Saemis Verteidigerin ist?«
Lilja Rös schaut mich angriffslustig
an, als sei ich eine Spinne, die ihr die Nase
heraufkrabbelt: »Du verteidigst diese Bestie auch noch?«
»Er hat die gleichen Rechte wie
jeder andere auch«, antworte ich und zucke gleichgültig
mit den Achseln.
»Schämst du dich nicht?«
»Wer weiß, vielleicht ist er ja unschuldig?«
Sie schaut mich einen Moment
schweigend an. Es hat ihr die Sprache verschlagen. Geht
dann wieder zum Staubsauger, macht ihn an und
beschäftigt sich eingehend mit dem Teppich.
Raggi winkt mich zu sich und grinst.
»Wer Judas zum Freund hat, braucht
keine Feinde mehr.«
Sagt Mama.
15
Im ersten Stock befinden sich drei Zimmer.
Oh, là, là!
Ein Schlafzimmer ganz in Rosa. Ein
Liebesnest ganz wie in einem romantischen Albtraum. Rosane Wände. Rosanes
Bettzeug. Rosaner Überwurf mit Rüschen auf einem breiten Himmelbett.
Und weiß.
Ein weißer Schrank und Schminktisch.
Ein weißer, daunenweicher Teppich auf dem Fußboden. Dicke weiße Gardinen, um
die aufdringlichen Blicke neugieriger Augen abzuhalten.
Unglaublich.
Liebe in Technicolor-Farben wie in
den schnulzigen Streifen, die im alten Cinemascope gezeigt wurden. Als Mama vor
Rührung im Kino geweint hat.
Nur die Spiegel passen nicht dazu.
Menschengroße Spiegel an den Wänden,
um zwei Seiten des Bettes zu spiegeln. Die gab es in den alten Schnulzfilmen
nie.
Nebenan ist ein zweites
Schlafzimmer.
Das totale Gegenteil.
Ein altes Ehebett mit Holzrahmen.
Zwei Matratzen. Weiße Bettbezüge. Eine blaue Wolldecke. Hell gestrichene
Wände. Blauer Teppich mit kleinen weißen Sternchen.
Das dritte Zimmer im oberen Stock
ist eine Art Arbeitszimmer. Hier sieht es aus, als hätte eine Bombe eingeschlagen.
Zeitungen, Bücher und Papiere überall. Auf dem Fußboden und auf dem
Schreibtisch, der unter dem Fenster steht. Sogar auf dem Bildschirm vom
Computer, dem Drucker und dem Modem. In den hohen Bücherregalen, die zwei
Wände bedecken, liegen die Bücher herum, als habe man sie in Eile einfach dort
hineingeworfen.
Ich bemerke Lilja Rós erst, als ich
ihre Stimme hinter mir höre.
»Hier muss
ich erst noch aufräumen«, sagt sie. »Darauf wär ich im Leben nicht gekommen.«
Lilja Rós tut so, als hätte sie
meine Bemerkung nicht gehört.
»Halla war immer so ordentlich«,
erklärt sie. »Als ich zuletzt hier zu Besuch war, stand noch alles in Reih und
Glied.«
»Als wir hier zum ersten Mal
hereinkamen, sah es genauso aus wie jetzt«, berichtet Raggi. »Hatten noch andere
Personen außer dir und Halla einen Schlüssel zur Wohnung?«
Lilja Rós
lässt sich die Frage durch den Kopf gehen. »Nicht, dass ich wüsste«, antwortet
sie schließlich.
»Aber Halla
hätte natürlich jemandem den Haustürschlüssel geben
können, ohne mir etwas davon zu sagen.«
»Saemi zum Beispiel?«
»Das wäre
möglich.«
»Hatte Halla nicht ihre Schlüssel
dabei, als sie zur Arbeit ging?«, frage ich.
»In ihrer Tasche, die man in ihrem
Büro in der Staatskanzlei gefunden hat, war ein Schlüsselbund«, antwortet
Raggi.
»Und?«
»Daran befand sich der Schlüssel für
die Eingangstür hier. So sind wir hier reingekommen. Ich bin jetzt auch mit
Hallas Schlüssel hier.« Raggi streicht sich über seine Glatze. »Aber irgendwer
war vor unseren Männern hier drin, so viel ist sicher. Trotzdem gab es keine
Spuren eines Einbruchs.«
»Der Einbrecher muss also einen
Schlüssel gehabt haben?«
»Vielleicht«, antwortet Raggi und
wendet sich wieder Lilja Rós zu. »Du könntest uns eine große Hilfe sein«,
erklärt er ihr. »Wir haben versucht herauszufinden, ob etwas gestohlen wurde.
Wir sind aber nicht weit gekommen, da wir keinen Bekannten von Halla
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