Stella Blomkvist
so an!«
»Ansonsten schmeiß ich dich
eigenhändig raus.«
Ich stehe auf, gehe zu Haukur, lege
meine Hände auf seine Schultern und drücke ihn wieder in seinen Sessel.
»Möchtest du mich rausschmeißen?«,
frage ich.
Er schweigt.
»Kannst du mich denn überhaupt nicht
leiden?« Ich setze mich zu ihm auf die eine Armlehne, streiche mit der Hand
über seine verschwitzte Stirn und kraule mit den Fingern sein Haar. »Ich
glaube, du meinst das doch gar nicht so.«
Dann beuge ich mich zu ihm und küsse
ihn auf die Lippen. Nach einigen Küssen nehme ich seine Hand und lege sie auf
meine linke Brust.
»Lass mich in Ruhe«, sagt er und
dreht sein Gesicht weg. »Um Himmels willen, lass mich in Ruhe!«
Ich warte auf der Sessellehne, bis er
mich scharf ansieht.
»Du widerst mich an«, sagt er. »Ihr
widert mich alle an!«
Aha!
Ich stehe auf, gehe auf den Flur,
rufe mir ein Taxi und ziehe meine Jacke an. Als der Fahrer draußen hupt, marschiere
ich noch einmal zurück ins Wohnzimmer, wo Haukur immer noch regungslos im
Sessel sitzt.
Ich kann
mich einfach nicht zurückhalten, ihm zum Abschied zuzurufen: »Ich schick dir
bei Gelegenheit einen Jungen vorbei!«
Es ist doch
immer ein gutes Gefühl, das letzte Wort zu haben!
18
»Es ist
scheißkalt hier
draußen!«
Lilja Rós
steht immer noch im hellblau-rosanen Trainingsanzug
in der Tür und bewegt sich keinen Millimeter.
»Es wäre
besser für uns, wenn wir uns drinnen unterhalten
würden«, fahre ich fort.
»Wir haben
nichts miteinander zu besprechen.«
»Ich denke
aber doch.«
Sie rührt
sich nicht von der Stelle.
»Mir sind
unschöne Geschichten über Halla erzählt worden. Du
warst doch ihre beste Freundin! Willst du nicht, dass
ich ihre Version der Geschichten zu hören bekomme?«
Sie wirkt
zögerlich. Unentschlossen.
Ich nutze
schnell die Gelegenheit.
»Komm
schon! Du kannst mich doch immer noch rausschmeißen.«
Endlich
macht sie Platz und lässt mich in die Diele eintreten.
Ich bin
halb erfroren. Ich habe den ganzen Nachmittag damit
verbracht, den geheimnisvollen Boten zu suchen. Bin
von Haus zu Haus gezogen, ohne Erfolg. Nirgendwo ein verdammter Geheimnistuer
zu finden. Jetzt ist es Abend geworden.
Nach diesem vertanen Tag habe ich
beschlossen, einen Versuch zu wagen, um eingehender mit Lilja Rós zu reden.
Mal hören, was sie über Halla, Haukur, Saemi, Porno-Valdi und alle Gerüchte zu
sagen hat.
Ich folge ihr ins Wohnzimmer, setze
mich in einen Sessel und versuche, die Kälte aus den Händen zu massieren. Sie
setzt sich ins Sofa gegenüber.
Sie scheint schlechte Nerven zu
haben. Ist irgendwie hibbelig. Guckt mir nur ab und zu für Sekundenbruchteile
in die Augen.
»Hast du hier alles schon wieder
komplett in Schuss gebracht?«
Sie
antwortet mir nicht, aber fragt schließlich: »Wer hat dir unschöne Geschichten
über Halla erzählt?«
»So einige.«
»Sicher
Saemi.«
»Nein, das waren eher andere. Zum
Beispiel einige ihrer Kollegen.«
»Männer
natürlich.«
»Warum
erwähnst du das?«
»Die können es einfach nicht
vertragen, wenn Frauen Karriere machen. Sie versuchen, sie mit Lügen und Verleumdungen
fertig zu machen. Halla hat das besonders zu spüren bekommen.«
»Ist sie mit den Männern in der
Partei aneinander geraten?«
»Na klar.«
»Trotzdem ist sie so schnell
befördert worden?«
»Halla war wirklich schlau. Sie
wusste sich zu wehren. Sie war für die Männer nicht zu greifen. Sie sagte
immer, dass sie darauf achtet, den schlauen Füchsen immer einen Schritt voraus
zu sein.«
»Wie hat sie das gemacht?«
»Ich weiß über die Details nicht so
genau Bescheid.« Lilja Rós springt auf. »Dir ist kalt«, stellt sie fest. »Ich
mache uns einen Kaffee.« Sie geht in die Küche, ohne eine Antwort abzuwarten.
In der Tat herrscht immer noch
klirrender Winter. Den
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