Stella Blomkvist
Glauben schenken konnte. Weil ich es
nicht war, musste jemand anderes sie aus dem Schließfach geholt haben.
Aber wer?
Die Goldjungs selber wohl kaum. Dann
würden sie ja nicht bei mir alles auf den Kopf stellen. Wer kam denn sonst in
Frage?
Es musste jemand sein, der zu den
Schließfächern anderer Zugang hatte, der einen Bankangestellten dazu bringen
konnte, eine falsche Zeugenaussage abzugeben. Einer, der die Polizei dazu benutzen
konnte, für sich die Drecksarbeit erledigen zu lassen. Ganz normale Ganoven
sind zu so was nicht in der Lage.
Schließlich versammeln sich die
Goldjungs auf dem Flur. Mit leeren Händen. Der Vize ist jedoch noch nicht ganz
fertig. Er zieht ein anderes Papier aus der Tasche und zeigt es mir. Ein
Hausdurchsuchungsbefehl für Hallas Haus.
Ich lese mir das Papier durch. Alles
rechtens. Natürlich!
Er möchte den Schlüssel haben.
Sicher nicht!
»Ich komme mit und schließe euch
auf«, sage ich.
Er bietet mir an, in seinem Wagen
mitzufahren. Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann.
Ich sitze auf dem Sofa im
Wohnzimmer, während sie alles durchsuchen. Als sie endlich fertig sind, ziehen
sie mit einer Kiste im Arm davon.
»Was ist in der Kiste?«, frage ich.
»Das geht dich nichts an«, antwortet
der Vize. Er ist wütend.
»Lehn dich nicht zu weit aus dem
Fenster«, fügt er hinzu. »Wir haben eine unterschriebene Zeugenaussage, dass du
heute Morgen am Schließfach warst. Deine Position als Anwältin hängt am seidenen
Faden. Du kannst dankbar sein, dass wir dich nicht sofort festnehmen.«
Ich sage nichts. Es hätte sowieso
keinen Zweck. Ich starre die Goldjungs nur abwechselnd an und warte darauf,
dass sie verschwinden. Schließe hinter ihnen die Türe ab und höre sie wegfahren.
Dann gehe ich hoch in den ersten Stock, in Hallas Arbeitszimmer, und öffne die
Schublade.
Sie haben fast alle Disketten von
Halla mitgenommen. Aber nicht die Schachtel mit den Computerspielen. Die ist
noch an Ort und Stelle.
Ich öffne
die Schachtel und gehe die Disketten durch.
Die Computerspiele mit den Kopien
von Hallas Tagebüchern sind alle noch da: Marathon. Sim Tower. Lemmings. Indiana Jones.
Links Pro. Alone in the Dark. King
of Solitaire. Verdammtes Glück!
Ich lege sie wieder an ihren Platz
zurück. Schließe die Schublade. Setze mich dann an den
Schreibtisch und durchdenke die ganze Sache.
Jetzt geht es darum, mit Bedacht zu
handeln. Einige Spielchen in die Zukunft zu planen und sich vor Tretminen in
Acht zu nehmen. Das ist das Erste.
Dann muss ich einen Gegenangriff
organisieren. Alle zur Verfügung stehenden Waffen und Männer einsetzen. Raggi?
Gunnleifur? Oder die Presse? Es ist allerhöchste Zeit, diesen Biestern, die mir
Streiche spielen, mal einen kräftigen Schuss vor den Bug zu verpassen. Sie
unter Druck zu setzen.
»Man soll andere für sich die
Kastanien aus dem Feuer holen lassen.«
Sagt Mama.
17
Regentropfen rinnen die Windschutzscheibe
herunter.
Laut Wetterdienst sollte es heute
den ganzen Abend wie aus Eimern gießen. Aber der Regen kommt nicht richtig in
Gang. Die meiste Zeit kommen nur ein paar vereinzelte Tropfen wie bei einem
alten Mann.
Ich sitze alleine in meiner
japanischen Schrottkarre und warte in Sichtweite von Raggis Wohnung. Hatte ihn
am frühen Abend mal angerufen, aber da ging keiner ans Telefon. Er war noch
nicht nach Hause gekommen. Bei den Goldjungs wurde mit Volldampf Nachtschicht
geschoben. War sicher nötig.
Ich finde es wichtig, mit Raggi
unter vier Augen zu sprechen. Ich muss mir zuerst
darüber klar werden, wer hier versucht, wen zu decken, bevor ich einige
gehaltvolle Kapitel aus Hallas Tagebüchern Gunnleifur zuspiele. Oder der
Presse.
Raggi wohnt in einem
Mehrparteienhaus. Auf der zweiten Etage
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