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Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
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zumindest einiger Kleinstädter zurückgab.
    »Wann kommt er denn zurück?«
    Sie zog die Schulter bis nahezu an ihre glühenden Ohren und erweckte einen gequälten Eindruck.
    »Ich schau mich mal um, darf ich?«
    »Aber ja doch, bitte.«
    An den Wänden hingen Bilder und Zeichnungen
    verschiedener Künstler, meist gegenständliche Arbeiten, die in ihrer Farbgebung der grauen Jahreszeit angepasst waren.
    Völlig farblos, wenn man vom Rost absah, waren die aus Eisen zusammengeschweißten Skulpturen in der Mitte des
    Ausstellungsraums. Ich schaute mir die Titel der Werke an, nickte, nahm in der Pose des fachkundigen Betrachters Abstand und fragte die junge Frau, wo man den Künstler finden könne.
    Das Atelier oder besser die Werkstatt von Roy Appelt befand sich in der Nähe des ehemaligen Soester Schlachthofs, der zu einem Kulturtreff umgebaut worden war.
    Durch einen Spalt in der Schiebetür konnte ich in den Raum blicken. Ein Mann hockte auf einem Schemel, in der linken Hand hielt er einen Schweißschirm, in der rechten eine Schweißzange. Er trug eine Lederschürze und sein Unterarm steckte in einer Manschette aus Gummistoff, die ihn vor den sprühenden Funken schützte. Gleißend blaues Licht zuckte über Bleche, Winkeleisen und allerlei Abfallstücke in den Ecken des Raums sowie über das Kunstwerk vor ihm, ein mannshohes Gebilde, das an eine menschliche Gestalt erinnerte.
    Als ich die Tür aufzog, legte der Mann den Sichtschutz und die Schweißzange mit der Elektrode zur Seite. Ich erkannte Rolf ›Roy‹ Appelt auf der Stelle, bei ihm dauerte es ein wenig länger, weil sich seine Augen erst an die veränderten Lichtverhältnisse gewöhnen mussten.
    »Komm ruhig rein, brauchst nicht anzuklopfen.« Er
    betrachtete mich so einladend wie der Türsteher einer Edeldisko einen Rentner in Sandalen und Tennissocken.
    »Interessantes Stück«, bemerkte ich, indem ich mit der Faust gegen die Figur stieß, deren Kopf einer afrikanischen Maske glich; Mund und Augen bestanden aus Löchern, um die Nase, die einer spitzen Blechtüte ähnelte, hatte der Künstler eine saubere Schweißnaht gelegt. »Auftragsarbeit?«
    »Hm.«
    »Wo soll sie denn mal stehen? In einer Kirche?«
    »Kapelle.«
    Sehr gesprächig war er nicht. Und das in einer Zeit, da Künstler sich mehr denn je mittels Kommunikation vermarkten mussten.
    »Alle Achtung, Roy, andere simulieren nur Arbeit, du malochst und machst dir die Hände dreckig.«
    Appelt guckte beleidigt und murmelte etwas von
    Kulturprojekt.
    »Kann wenigstens nicht brennen, dein Kulturprojekt.«
    »Häh?«
    »Im Gegensatz zu deinen früheren Arbeiten, den
    Schwellbildern. Die waren doch aus Schaumstoff und Sackleinen, alles leicht brennbares Zeug, nicht wahr?«
    Er spuckte auf den Boden. »Was willst du?«
    »Plaudern.«
    »Worüber?«
    »Über einen abgebrannten Kahn und über Peter Rugen.«
    »Was geht das dich denn an?«
    »War ein alter Klassenkamerad, der Peter. ‘Zehn Jahre lag er im Salz, nun liegt er im Städtischen in einem Kühlfach.«
    »Und?«
    »Nix und. Ich möchte einfach nur wissen, wer ihn
    umgebracht hat. Totgeschlagen, mit einem Hammer, mit einer Rohrzange.« Ich ließ meinen Blick über das herumliegende Werkzeug schweifen. »Oder mit einem Stück Profileisen.«
    »Soll ich dir einen Rat geben, Mogge?«
    »Immer.«
    »Geh und schieb die Tür von draußen zu!«
    Als ich keine Anstalten machte, rief er: »Leo, komm mal!«
    Nach dem dritten Rufen erschien durch eine Seitentür ein Junge von achtzehn oder zwanzig Jahren, kräftige Schultern, auf wenige Millimeter kurz geschorene Haare. »Was liegt an, Meister Appelt?«
    »Bring mal die Laufkatze!«
    Leo griff sich den Bedienungskasten eines Deckenkrans.
    »Und das Kühlwasser, Leo!«
    Leo ließ den Haken herunter und hängte ihn in eine Kette, die an einem Stahlbassin befestigt war. Dann zog er den Behälter hoch. Tropfen rieselten herunter, die sich auf dem mit Schleifstaub bedeckten Boden in graue Kügelchen
    verwandelten, um anschließend träge wie Quecksilber weiterzurollen. Der Junge betätigte die Laufkatze, die sich in einer Schiene bewegte, die quer durch die Halle zum Ausgang führte. Er konnte die Tür blockieren, er konnte den Stahlbehälter aber auch in meine Nähe bringen, ihn mit ruckenden Kranbewegungen zum Überschwappen bringen oder ganz abstürzen lassen. So was passierte in Werkstätten…
    »Dann will ich mal nicht länger bei der Arbeit stören, Meister Appelt.«
    Ich schritt zum Ausgang, betont

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