Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stelzvogel und Salzleiche

Stelzvogel und Salzleiche

Titel: Stelzvogel und Salzleiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Niklaus Schmid
Vom Netzwerk:
gemächlich. Mein Rückzug sollte nicht wie eine Flucht aussehen. Hinter mir rumpelte die Laufkatze mit dem baumelnden Behälter, Wasser platschte auf den Boden. Ich spürte die Spritzer an meinen Hosenbeinen.
    Nur nicht umdrehen, lass sie lachen. Als Ermittler sollte man objektiv sein und sich nicht von persönlichen Gefühlen leiten lassen, schon richtig, doch in Gedanken setzte ich Roy Appelt an die Spitze meiner Hitliste der Verdächtigen.
    19.
    Olli Ambaum stand auch darauf. Nach der Aussage seines Nachbarn hätte er aus dem Urlaub zurück sein müssen, war er aber nicht. Für heute Feierabend machen? Noch zu früh! Also fuhr ich die vier Kilometer in Richtung Bad Sassendorf, wo man die Leiche in einer alten Salzabfüllanlage gefunden hatte.
    Ein Kurhaus inmitten eines geschniegelten Parks,
    gelangweilte Kurgäste, zwei Andenkenläden, eine Hand voll adretter Häuschen – das war Bad Sassendorf. Aber eben noch nicht der Fundort, der sollte außerhalb des Ortes in der Nähe eines weiteren verlassenen Militärlagers der belgischen Streitkräfte liegen. Ich folgte Anne Mehringers Beschreibung auf dem Faxblatt und fand den Platz. Oder kam ihm zunächst einmal sehr nahe.
    Ich hielt den Wagen an, stieg aus.
    Rostiger Stacheldraht, den man nicht ernst nehmen musste, eine Schranke, die nicht einmal geschlossen war, ein zerdeppertes Schild, das irgendetwas über Unbefugte sagte, aber nur, wenn man sehr genau hinsah und sich die Mühe machte, es überhaupt zu lesen.
    Ein anderes, viel größeres Schild kündete an, dass an dieser Stelle demnächst ein Altenheim der Luxusklasse entstehen sollte. Eine Seniorenresidenz! Im Moment sah ich zerborstene Fensterscheiben, mit Sprühschriften verschmierte Wände und Müll jeglicher Art. Schön ist so etwas nirgendwo, aber hier nahe dem fleckenlosen Bad Sassendorf und nur wenige Autominuten von der malerischen Stadt Soest entfernt, stach es besonders ins Auge.
    Ich betrat das Gebäude. In einer Ecke türmte sich der Rest eines Salzbergs, mit Schmutz bedeckt, allenfalls für den kommenden Winter als Streusalz zu gebrauchen. Die Schaufel eines Baggers lag auch noch da, mit verrosteten Stahlzähnen und von Ackerwinde überwuchert wie das stählerne Maul eines vorgeschichtlichen Ungeheuers.
    Ich rief mir die Verletzung am Kopf der Salzleiche ins Gedächtnis. Wie von einem riesigen Hamsterzahn verursacht, ja, so hatte es ausgeschaut. »Äußere Verletzungen können auch noch nach Jahren gut beurteilt und bestimmten
    Gewalteinwirkungen zugeordnet werden, weil die Haut dank der Salzeinwirkung schnell vor bakterieller Zerstörung geschützt wurde«, so hatte es Dr. Borbek ausgedrückt.
    Hamsterzahn, der stählerne Zahn eines Schaufelbaggers, ein Profileisen oder doch die Spitze eines Gabelstaplers? Ich hatte erlebt, wie geschickt Jürgen Dönges mit seinem Arbeitsgerät umgehen konnte. Einen Bagger würde er sicher ohne
    Schwierigkeiten manövrieren können. Ein Schlag mit der Schaufel, anschließend eine Fuhre Salz auf die Leiche und darüber die Decke des Schweigens. Und wenn es so
    abgelaufen war, hatte er es dann allein getan? Oder war es mal wieder eine Gemeinschaftsarbeit alter Kumpel gewesen?
    Als ich aus der Halle ins Licht trat, fuhr ein Streifenwagen heran. Die Polizisten stiegen aus, ein älterer mit müdem Gesicht und der schnauzbärtige Anhänger von Borussia Dortmund, mit dem ich in der Wache gesprochen hatte. Ich nickte ihm zu, aber er wollte mich nicht wieder erkennen.
    Vielleicht hatte er sich schon auf einen Fernsehauftritt bei der versteckten Kamera gefreut, und dann die Enttäuschung.
    Jedenfalls war es mit seinem Humor, das zeigte sein Gesichtsausdruck ganz deutlich, vorbei. Sein Blick glitt über das Nummernschild meines Wagens, sicher hatte er was Abfälliges über den MSV Duisburg auf den Lippen. Der Altere betrachtete meine Hände, an denen noch Salzkristalle klebten, und fragte, ob ich etwas suche.
    »Nö, musste mal pinkeln.«
    »Und dafür gehen Sie in das Gebäude?«
    »Im Freien fühle ich mich beobachtet.«
    Die beiden nickten sich zu. Ich wusste, was jetzt kam. Prompt wollten sie meine Papiere sehen. Dann kam mein Wagen an die Reihe. Sie gaben sich alle Mühe, fragten nach dem Warndreieck und nach Ersatzglühbirnen, fanden aber nichts zu beanstanden. Etwas verkniffen tippten sie schließlich an ihre Uniformmützen. Eine zufällige Begegnung? Jedenfalls fuhren sie weiter, wenngleich aufreizend langsam. Allem Anschein nach war die Soester Polizei doch nicht so

Weitere Kostenlose Bücher