Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell
Zeit später den Roman
Heimliches Berlin
, in dem er die Verhältnisse umdichtete: Eine abenteuersüchtige Frau bleibt schließlich doch bei ihrem Mann, der sich für ein paar Intrigen nicht zu schade ist, um ihren Aufbruch mit einem jüngeren Liebhaber zu verhindern.
Literarisch aber blieb Hessel Paris verbunden. Nachdem die Übertragung des ersten Bandes von Marcel Prousts Romanzyklus
Auf der Suche nach der verlorenen Zeit
durch Rudolf Schottländer (
Der Weg zu Swann
, 1925) von der Kritik heftig abgelehnt wurde, erschien 1927 im Berliner Verlag Die Schmiede der zweite Band
Im Schatten der jungen Mädchen
und 1930 bei Piper der dritte Band,
Die Herzogin von Guermantes
, beide von Walter Benjamin und Franz Hessel übersetzt.
Als Autor debütiert hatte er 1905 bei S. Fischer in Berlin mit dem Gedichtband
Verlorene Gespielen
. Im selben Verlag kamen 1908 der Erzählband
Laura Wunderl
und 1913 der Roman
Kramladen des Glücks
heraus. 1920 erschien bei Ernst Rowohlt der Roman
Pariser Romanze
, als langer Brief an einen französischen Freund angelegt, 1921 folgte der Novellenband
Von den Irrtümern der Liebenden
, auch dieser mit autobiographischen Zügen. 1924 erschien
Sieben Dialoge
, ein Buch von 60 Seiten in einer Auflage von 140 Exemplaren, mit Radierungen von Renée Sintenis. Hessels Texte als kleine Kostbarkeiten … Joseph Roth fand in seinen Texten »ein klares, gutes und zartes Deutsch«. Wer hätte in der düsteren, schwerfälligen deutschen Literatur einen solchen Dichter vermutet?, wunderte sich ein Kritiker. Hessels Sprache ist genau und schwebend zugleich. Man spürt, dass er die deutsche Sprache liebte, noch in ihren ulkigsten Wendungen. Daher auch sein Sinn für Nonsens-Poesie à la Morgenstern oder Ringelnatz, aber auch für die Spracheder Kinder, der Straße, der abseitigen Reklamesprüche. Das ist nicht Snobismus, wie ein Lästerer meinte, es ist die urtümliche Kraft der Poesie selber: Magie, Verwandlung, Beschwörung und eine gehörige Portion Kinderspaß.
1926 konnten Hessels Leser über den Titel
Teigwaren, leicht gefärbt
staunen, der an kleine, verstaubte Läden erinnert. Die Geschichten darin sind Variationen über die Unbeständigkeit des Herzens und des Leibes. 1927 erschien der Roman
Heimliches Berlin
, wohl sein bester, eine Hymne auf den Alten Westen und der Traum von einer vermiedenen Trennung.
1929 veröffentlichte Hessel unter dem Titel
Nachfeier
eine Sammlung humorvoller Erzählungen und hauptstädtischer Feuilletons, die zuvor im
Tagebuch
oder in der
Literarischen Welt
erschienen waren. Hier finden sich zwei wesentliche Hessel-Texte, welche seine Ästhetik, seine Sicht auf die Welt und auch seinen Charakter erläutern,
Vorschule des Journalismus
und
Hermes
.
»Langsam durch belebte Straßen zu gehen ist ein besonderes Vergnügen.« Mit diesem Satz beginnt das 1929 in Leipzig erschienene Buch
Spazieren in Berlin
. Es ist Hessels großes Stadtbuch, die Synthese seines Wissens und seiner Erfahrung, und auch ein vorweggenommener Abschied von Berlin.
Ermunterungen zum Genuss
– welcher Titel wäre deplatzierter im Jahr 1933? Das letzte zu Hessels Lebzeiten publizierte Buch mit Erzählungen, Skizzen und Feuilletons ist ein sanftes Beharren auf seinem Denken und Dichten, eine ästhetische Alternative zur Barbarei, die auch ihn aus seinem Berlin vertreiben sollte. Im Exil entstand ein weiteres autobiographisches Fragment, das erst über 40 Jahre nach seinem Tod unter dem Titel
Alter Mann
gedruckt wurde.
In seiner literarischen Existenz schien Franz seinen Frieden gefunden zu haben. Für Helen war es erheblich schwieriger,zumindest im Privaten. Als Autorin und als Kennerin der Pariser Modeszene hatte sie sich in Deutschland rasch einen Namen gemacht. Ihre Beziehung zu Henri-Pierre Roché kannte indes nur noch wenige gute Zeiten, dafür immer wieder heftige Auseinandersetzungen. Von Zeit zu Zeit bedrohte sie ihn mit dem Revolver oder schlug ihn, ein Ausdruck hilfloser Verzweiflung. Roché konnte und wollte sein Leben nicht ändern, Helen sich nicht den Kinderwunsch erfüllen, zumindest nicht in den erhofften Verhältnissen. Überdies hatte sie gesundheitliche Probleme, litt unter Arthritis, hatte Schmerzen beim Gehen, musste eine Hüftoperation vornehmen lassen.
Auf Rochés permanente Affären antwortete sie mit eigenen Affären, etwa mit einem Amerikaner namens Mister John, der sie auf Reisen mitnahm und angeblich heiraten wollte. Roché war ihrer längst überdrüssig, wie sein
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