Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Titel: Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Fluegge
Vom Netzwerk:
Uhr früh an den Tunneleingang heranfährt. Unterbrochen wird die Arbeit nur von der kurzen Mittagspause, in der sie einen halben Liter Milch erhalten. Immerhin ist die Fabrik beheizt. Die Rückfahrt erfolgt um fünf Uhr nachmittags. Wieder heißt es auf dem Schotter herumstehen. Ankunft im Lager um sieben Uhr. Antreten zum Appell, der ewig dauert und nur bei Regen auf zehn Minuten verkürzt wird. Um neun Uhr wird Brot mit etwas Margarine und Wurst verteilt. Um zehn Uhr sackt man müde auf die hölzernen Pritschen. Je drei Gefangene liegen nebeneinander. Stéphane lernt zu schlafen, ohne sich zu rühren, denn dann setzt es Schläge. Noch Jahre später schläft er in vollkommen steifer Haltung. Um drei Uhr morgens erfolgt das Wecken für den nächsten Arbeitstag.
    Auch in Rottleberode verwalten die Häftlinge das Lager selbst. Stéphane alias Michel Boitel wird als Schreibereingesetzt, freundet sich an mit zwei politischen Gefangenen, die ihm zusätzliche Essensrationen verschaffen. Dass er Deutsch spricht, ist ihm von Nutzen. Die Kapos mit dem roten Winkel lassen sich gern von ihm deutsche Gedichte vorsagen. Im Lager hat das eine magische Wirkung. Im Dezember zeigt Stéphane erste Anzeichen von körperlicher Schwäche. Die »Arbeit« dient hier der langsamen Vernichtung. Man darf sich nicht absinken lassen, das könnte böse enden.
    Als ihm ein Ingenieur erzählt, dass die Wehrmacht in den Ardennen eine erfolgversprechende Offensive gestartet habe und die Deutschen doch noch gewinnen und ihn dann nach Hause schicken würden, folgert Stéphane: Es ist Zeit zum Fliehen. Er schmiedet Pläne mit seinem Kameraden Robert Lemoine, der bereits einen Kompass gebaut und neutrale Arbeitskleidung sowie eine Karte besorgt hat.
    Am 1. Februar 1945 gelingt den beiden Franzosen die Flucht. Vor dem Tunneleingang laufen sie aus der Kolonne, verstecken sich im Gebüsch, klettern in den Tannenwald, warten zwischen den Bäumen auf den Morgen, um sich dann durchzuschlagen. Am Vormittag sitzen sie auf einem Baumstamm, haben einen Rest Brot in der Hand, schauen auf die freie Ebene vor ihnen, in die Landschaft an der Grenze von Sachsen-Anhalt und Thüringen. Am Horizont sieht man Dörfer, aus denen Rauch aufsteigt. Aus der kalten Erde kommt feuchter Dunst. Ein grauer Himmel verdeckt die Sonne.
    In freier Luft den Atem leicht zu heben! … O Freiheit!
Doch weit kommen sie nicht. Schon im nächsten Dorf nehmen ältere Männer vom Volkssturm sie gefangen. Anders als sie erwartet haben, sind die Straßen nicht voller Flüchtlinge, in deren Strom sie hätten untertauchen können. »Selbst wenn wir draufgehen, für diese eine Minute hat es sich gelohnt«, sagt Robert Lemoine.
    Sie werden abtransportiert und geschlagen, man droht ihnenmit dem Tod durch Erhängen. Man sperrt sie für zwei Tage in einen engen Bunker ein, in dem sie nur stehen können, zusammen mit Hunden, die ihnen in die Waden beißen. Sie überstehen auch dies und werden einer Strafkompanie zugeteilt. Auf dem Rücken ihrer Häftlingsjacke prangt eine rote Markierung: der Fluchtpunkt, der beim nächsten Ausreißversuch als Zielscheibe dienen soll.
     
    Das Lager, in dem sie sich jetzt befinden, heißt Dora – ein Phantasiename wie Buchenwald. Das Lager liegt nordwestlich von Nordhausen. Die meisten Häftlinge müssen in einem Stollen arbeiten, in dem Raketen hergestellt werden. Die Todesraten sind hier entsetzlich hoch. Für jede Kleinigkeit wird man gehenkt, erschossen, erschlagen. Die Atmosphäre ist schlimmer als in Buchenwald, denn hier stellen die »Grünen« die Kapos, die Kriminellen. Sie haben die Macht, bekämpfen sich aber auch untereinander.
    Ein SS-Mann verhört die beiden Flüchtlinge lange. Sie haben nichts gestohlen, das entlastet sie. Außerdem beeindrucken Stéphanes Deutschkenntnisse. Woher er sie hat, wird nicht gefragt. Hessel-Boitel und Lemoine sollen nicht im Tunnel arbeiten. Ihre Kompanie muss den ganzen eisigen Februar über Gräben ausheben, die keinerlei Nutzen haben, sie tun es auch noch im März, als es schon wärmer wird. Vor allem müssen sie das Lager sauber halten. Dabei beaufsichtigt sie ein grüner Kapo, der vormals Boxer war. Wer ihm missfällt, wird zu Boden geprügelt. Das Essen ist abscheulich und karg. Immerhin wird nicht mehr so viel gearbeitet. Erste Auflösungserscheinungen zeigen sich. Die SS-Leute interessieren sich kaum noch für das, was die Kommandos machen. Robert Lemoine wird krank, Hessel pflegt ihn, redet ihm gut zu.
    Jetzt heißt

Weitere Kostenlose Bücher