Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell

Titel: Stephane Hessel - ein gluecklicher Rebell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Fluegge
Vom Netzwerk:
in dem Amt, und auchVitia konnte eine repräsentative Rolle ausfüllen. Das weit außerhalb von Genf gelegene Haus des Vorgängers wurde ausgetauscht gegen die Villa des Ormeaux, die näher am Völkerbundpalast lag. Hier hatte man einen Seeblick und mächtige Zedern im Garten. Und hier konnte man gesellschaftliche Begegnungen und kleine kulturelle Veranstaltungen organisieren, Lesungen, Konzerte und sogar kleine Aufführungen, denn unter dem Personal der französischen Vertretung gab es viele Theaterbegeisterte. Einmal spielte Stéphane sogar in Alfred de Mussets Stück
On ne badine pas avec l’amour
mit. Was konnte besser zu dem Erben der Geschichte von
Jules und Jim
passen als die immer wieder gern überhörte Warnung, dass man nicht mit der Liebe spielt? In seiner amtlichen Eigenschaft empfing er einmal den französischen Staatspräsidenten Giscard d’Estaing, und auch von Genf aus ergaben sich viele Anlässe zu Reisen in alle Welt. So engagierte sich Stéphane Hessel stark in der Vermittlung zwischen Hutu und Tutsi nach dem blutigen Bürgerkrieg in Ruanda. Oft ist er zwischen Paris, London und Afrika hin- und hergereist.
    Thematisch standen also die Menschenrechte am Anfang wie am Ende seiner Laufbahn; im Zentrum seines Denkens standen sie immer. Und noch nach seiner Amtszeit war Stéphane Hessel auf diesem Felde tätig: Zwischen 1993 und 1996 leitete er die französische Menschenrechtskommission, die eine Tagung beim Weltgipfel in Wien vorbereitete. Einige Sitzungen fanden auch in Genf statt, wo er sich wie zu Hause fühlte. Statt Wien war ursprünglich Berlin als Tagungsort der Abschlusskonferenz vorgesehen, was der deutsche Außenminister aber vereitelte. Deutschland kam in der diplomatischen Laufbahn von Stéphane Hessel nicht vor. Und eigentlich wurden ihm wirklich große Posten verweigert, etwa die Botschaften in Washington, London, Bonn oder Moskau. Die politischen Verhältnisse in seiner Heimat erlaubten dies nicht. Er verstand sich immerals »Mann der Linken, überzeugter Europäer, politisch aktiver Internationalist«.
     
    Ein wichtiger Moment in seiner innerfranzösischen Tätigkeit waren die Monate der Regierung von Pierre Mendès-France, den er ja aus London im Krieg kannte. Aus deutscher Sicht ist Mendès-France schwer zu verstehen, am ehesten mit der Wirkung von Bundeskanzler Willy Brandt zu vergleichen: eine relativ kurze Zeit an der Macht, in der entscheidende Weichenstellungen erfolgten (in diesem Fall der erste Schritt zur Entkolonialisierung), die bald überlagert wird von einem weiterwirkenden Mythos. Immerhin verkörpert Mendès-France bis heute die Regierungsfähigkeit der französischen Linken, den Mut zu mehr Demokratie, und er war der Politiker, der mit dem Rückzug aus »Indochina« die Entkolonialisierung einleitete.
    Im Juni 1954 war Mendès-France Ministerpräsident der Vierten Republik geworden. Georges Boris, der im Krieg ebenfalls in London gewesen war, leitete eines der drei Beraterkabinette. Sieben Monate lang, bis zum Rücktritt von Mendès-France, gehörte Stéphane Hessel zu diesem Kreis, der vor allem für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig war. Hier fand er seine politische Familie und Freunde wie Claude Cheysson, Michel Jobert, Alain Savary.
    Danach ging Stéphane Hessel für zwei Jahre nach Saigon: Frankreich zog sich schrittweise aus seiner einstigen Kolonie Indochina zurück. Bei diesem Prozess wurden auch Diplomaten gebraucht, und Stéphane sammelte Erfahrungen mit den Problemen der Dritten Welt. In derselben Weise war er dann in Algerien tätig, als dieses Land 1962 in die Unabhängigkeit entlassen wurde. In den Jahren 1970 bis 1972 arbeitete er wieder in New York und übernahm diverse Missionen für die UNO.
    Mit General de Gaulle gab es in der Nachkriegszeit nur eine Begegnung, 1962 im Elysée-Palast. Stéphane Hesselgab ihm die Hand, stellte ihm seine Frau Vitia vor, erzählte von seiner Arbeit im Schulwesen in Algerien, für das er nun zuständig war. Der Staatspräsident hörte höflich zu oder tat zumindest so, dann schüttelte er die nächste Hand.
     
    Insgesamt sechs Jahre hat Stéphane mit seiner Familie in Algerien zugebracht. Zuvor war er fünf Jahre lang Leiter der Abteilung Entwicklungshilfe im französischen Erziehungsministerium. Benötigt wurden Lehrer für die Länder der Dritten Welt, 35   000 insgesamt, in Marokko, Algerien, Schwarzafrika. Als die algerische Unabhängigkeit in Kraft trat, verließen 15   000 französische Lehrer das Land.

Weitere Kostenlose Bücher