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Sterbelaeuten

Sterbelaeuten

Titel: Sterbelaeuten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Endemann
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Trauerseelsorger zum Beziehungsseelsorger umgebucht worden. Sie gingen an den kleinen Reihenhäusern entlang. In den Fenstern leuchteten Lichterketten und hier und da bevölkerten seltsame Elche und Nikoläuse die Vorgärten.
    „Ich bin jedenfalls froh, wenn dieser Antoni nicht mehr da ist“, sagte Christian.
    „Was stört Sie denn an ihm?“ Dieser Christian wurde Henry immer unsympathischer.
    „Ich finde es einfach schöner, wenn man als Familie unter sich ist, verstehen Sie? So eine Hilfskraft ist doch immer ein Fremdkörper, das ist doch klar. Ich meine, man kann nicht gleichzeitig Arbeitgeber und Freund sein, man muss das trennen. Gerade Stephanie als Juristin sollte das doch wissen.“
    „Wie lange kennen Sie Sibylle denn schon?“ Henry kam es übertrieben vor, dass Christian sich offenbar mehr als Teil der Heinemann-Familie sah als Antoni.
    „Seit Mai diesen Jahres ziemlich genau.“
    „Und wie haben Sie sich kennengelernt?“ Henry war sonst nicht so neugierig, aber Christian schien so gar nicht Sibylles Typ zu sein, dass es ihn interessierte, wie sie überhaupt zusammengekommen waren.
    „In der Kirche. Müsste Ihnen doch gefallen. Beim Kirchenkaffee sind wir ins Gespräch gekommen. Ich habe mitbekommen, dass sie Organistin ist und dass die Gemeinde für die Renovierung der Orgel sammelt. Da habe ich ihr angeboten, beim Fundraising zu helfen. Es ist nämlich so: Ich arbeite bei Procter, bin Ingenieur da. Und neuerdings machen die einen Teil der Jahresabschlussvergütung daran fest, ob man ein ehrenamtliches Engagement vorweisen kann. „Tue-Gutes-für-den-Bonus“ nennt sich das. Ja, und dann habe ich mir überlegt, wo ich mich einbringen will. Es soll natürlich nicht so zeitaufwändig sein. Und da kam ich auf die Kirchengemeinde. Ist am Ort und man schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe.“ Er grinste Henry triumphierend an.
    „Wieso zwei Fliegen?“ Er rettete seinen Bonus und sein Seelenheil auf einen Streich, oder was meinte er? Henry fühlte sich müde und ausgelaugt. Er wollte eigentlich nur noch nach Hause.
    „Na, ich habe das ehrenamtliche Engagement für meinen Bonus und lerne eine Frau kennen. Jeder weiß doch, dass überwiegend Frauen in die Kirche gehen. Ich hatte befürchtet, dass es dort niemand unter sechzig gibt, aber so schlimm war es dann gar nicht. Ja, und so habe ich Sibylle kennengelernt.“
    Da hatte Sibylle sich ja eine Seele von Mensch an Land gezogen.
    „Ich muss jetzt hier lang. Machen Sie’s gut, Herr Pfarrer!“ Christian schüttelte Henry die Hand und marschierte energisch die Schwalbacher Straße hoch.
    Als Henry fünfzehn Minuten später nach Hause kam, saß Elisabeth in eine Decke gewickelt auf dem Wohnzimmersofa, in ein Buch vertieft. Henry kam mit einer Flasche Rotwein herein und goss sich ein Glas ein, setzte es an den Mund und trank einen sehr großen Schluck.
    „Was ist denn mit dir los?“, fragte Elisabeth. Henry erzählte ihr von der Szene beim heinemannschen Trauergespräch.
    „Ach du meine Güte!“, war Elisabeths Reaktion. „Was meinst du, was so ein Flügel wert ist? Was ist es denn für einer?“
    „Na ja, es ist ein echter Steinway, aber schon ziemlich alt“, antwortete Henry. „Sie haben ihn gebraucht gekauft, hat Frau Heinemann mir mal erzählt. Der könnte schon so 60–70.000 wert sein. Aber das ist natürlich nichts gegen das Häuschen. In der Lage bringt das mindestens 250.000 oder mehr.“
    „Was hat sich Frau Heinemann nur dabei gedacht?“, fragte Elisabeth.
    „Irgendwas hat sie ja gesagt, davon, wie sie immer gedacht hat, dass Sibylle zu ihrem Ex zurückgeht“, erinnerte sich Henry.
    „Meinst du, sie hat ihr deshalb keinen Teil am Haus vererbt, damit sie nicht hierbleiben will, damit sie nach Hamburg geht?“, fragte Elisabeth. „Welche Mutter würde denn so was tun?“
    „Das weiß ich auch nicht.“ Henry goss sich ein zweites Glas ein. „Eins steht jedenfalls fest. Heute schreibe ich keine Ansprache mehr.“ Sie saßen schweigend, während Henry Wein trank und Elisabeth weiter in ihrem Buch las.
    „Sag mal ...“, begann Henry.
    „Hm?“ Elisabeth sah von ihrem Buch auf.
    „Dieser Streit zwischen dir und Thomas ...“
    „Ja?“ Es war verblüffend, welche Emotionen ein kurzes Wort mit zwei Buchstaben zum Ausdruck bringen konnte. Henry las Schreck, ein Sich-ertappt-Fühlen, schließlich Abwehr und Trotz im Gesicht seiner Frau.
    „Meinst du nicht, ihr könntet den vielleicht wieder beilegen? Es ist doch traurig, wie ihr

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