Sterbelaeuten
zu.
„Und was wird aus Antoni?“, fragte Henry. „Was für ein Segen, dass er gerade vorbeikam, als Schurig mit Lukas aus der Kirche fliehen wollte.“
„Allerdings!“, stimmte Elisabeth zu. Antoni war nach der Messe auf dem Weg zum Bahnhof gewesen. Stephanie, die das Geschehen in der Kirche aus dem Windfang des Haupteingangs verfolgte, hatte ihn herbeigerufen.
„Was für eine Idee, Schurig mit einer Spielzeugpistole zu bedrohen!“, bewunderte Thomas Antoni nicht zum ersten Mal in diesen Tagen. „Der Mann hat Nerven.“
„Ja, das war ein echter Geniestreich“, stimmte Stephanie ihm zu. „Antoni hat eine neue Stelle hier in Sulzbach gefunden“, erzählte sie. „Auch wieder bei einer älteren Dame. An dem Sonntag, als er Lukas gerettet hat, hat er es mir erzählt. Es war ihm anscheinend die ganzen Wochen furchtbar peinlich, uns nach Referenzen zu fragen. Dabei ist das doch selbstverständlich.“
„Was jetzt wohl aus Torat wird?“, überlegte Thomas. „Ob den noch mal eine Gemeinde nimmt?“
Torat lag mit einem Nervenzusammenbruch in der Klinik. Er hatte in seiner Not die 110 gewählt. Da zu diesem Zeitpunkt jede Polizeidienststelle im Main-Taunus-Kreis alarmiert war, dass Schurig auf dem Dach der S3 flüchtete, hatte man ihn direkt zu Paul Kramer durchgestellt. Dieser konnte Torat überreden, noch mit seinem Auto zum Parkplatz am Eichwald zu fahren, damit Schurig aus dem Unterholz kam und man ihn festnehmen konnte.
„Dieser Schurig ist ja gemeingefährlich“, sagte Henry. „Ich verstehe nur nicht, warum er Sibylle töten wollte. Warum ist er nicht einfach abgehauen? Was hatte Sibylle ihm getan?“
„Ja, das ist eine komische Sache“, sagte Stephanie. „Wir denken, dass er Sibylle mit mir verwechselt hat.“
„Wie meinst du das?“, fragte Elisabeth.
„Na ja, das ist so“, sagte Stephanie. „Schurig hat mich mit Torat zusammen beim Kirchenkaffee gesehen. Und ein paar Tage später ist er mir auf dem Weg zur Arbeit ins Auto gefahren.“
„Was? Mit Absicht?“, rief Thomas aus.
„Nein“, entgegnete Stephanie, „ich glaube, er ist wohl auf dem glatten Neuschnee ausgerutscht. Jedenfalls war er ganz komisch. Wollte mir 5.000 Euro in die Hand drücken und die Sache ohne Versicherungen ausmachen. Als ich darauf bestand, seinen Personalausweis zu sehen, hat er ihn nur widerwillig rausgerückt.“
„Und du meinst, er dachte, du kennst seinen Namen und hast ihn mit Torat und der Handschrift zusammen ertappt“, folgerte Elisabeth.
„Genau“, sagte Stephanie. „Er dachte, es ist zu riskant, mich leben zu lassen, weil ich die Polizei auf seine Spur bringen könnte. Aber es war eben nicht ich, sondern Sibylle, die von alldem keine Ahnung hatte.“
Es läutete.
„Das wird Paul sein.“ Henry stand auf. Er kam mit Paul zurück, der an einer Krücke ins Zimmer humpelte. Er hatte den Abend mit seinem Vater verbracht, der aber nicht mehr bis zwölf wachblieb. Das Feuerwerk wollte Paul sich auf dem Kirchplatz ansehen.
„Wir reden gerade über Schurig.“ Elisabeth stellte Paul auch ein Schnapsglas hin, aber der winkte ab. „Der hat uns ja ziemlich an der Nase herumgeführt.“
„Hat er sich, wie Henry sagt, gezielt unsere Gemeinde ausgesucht, um hier seine Geschäfte mit der Mafia zu machen?“, fragte Stephanie. „Und war Torat sein Komplize?“
„Schurig und Torat kennen sich schon aus Studientagen.“ Paul setzte sich und zog einen leeren Stuhl heran, auf den er sein verletztes Bein lagerte. „Schurig hat BWL studiert, aber nie Lust gehabt, richtig zu arbeiten. Er war immer aufs große Geld aus und hat alle möglichen windigen Geschäfte betrieben. Irgendwann war er pleite und hat sich an seinen alten Freund Torat erinnert.“
„Das war in Amorbach“, sagte Stephanie.
„Genau. Da war Torat Organist. Er lebte zur Untermiete bei einer älteren Dame, Frau Fromme. Und Schurig tauchte bei ihm auf, wollte für ein paar Nächte bleiben. Die alte Dame hatte nichts dagegen. Schurig hat sie mit seinem Charme um den Finger gewickelt, bis sie ihm ihren Schmuck vorgeführt hat. Da dachte sich Schurig, dass das ein schönes Anfangskapital für seine nächste Geschäftsidee wäre.“
„Und das war der Reinigungsservice.“ Stephanie hatte sich aus den Erzählungen von Sibylle aus Amorbach und von Antoni und seiner Schwester schon einiges zusammengereimt.
„Er hat die alte Frau in ihrer Wohnung überfallen und sie wohl so erschreckt, dass sie gestorben ist. Ob er sie töten wollte,
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