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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Ich setzte mich in den ausgeblichenen Liegestuhl, stand im nächsten Moment wieder auf, sammelte alle Flaschen ein und stellte sie an die Wand, schaute mich nach einer Tüte um, konnte aber keine finden.
    »Geht dir das Gleiche durch den Kopf wie mir?«, sagte Yngve schließlich und richtete sich auf.
    »Ich denke schon«, sagte ich.
    »Großmutter ist die Einzige, die ihn gesehen hat«, sagte er. »Sie ist die einzige Augenzeugin. Gunnar hat ihn nicht gesehen. Sie hat ihn am Morgen angerufen, und er hat einen Krankenwagen geholt. Aber gesehen hat er ihn nicht.«
    »Nein«, sagte ich.
    »Nach allem, was wir wissen, könnte er sogar noch am Leben sein. Wie soll Großmutter das begreifen? Sie findet ihn auf der Couch, er antwortet nicht, als sie ihn anspricht, sie ruft Gunnar an, und daraufhin kommt der Krankenwagen, das Haus ist voller Ärzte und Sanitäter, sie nehmen ihn auf einer Trage mit und verschwinden, und das war’s. Aber was ist, wenn er gar nicht tot war? Was ist, wenn er nur besinnungslos betrunken war? Oder in einer Art Koma lag?«
    »Ja«, sagte ich. »Als wir gekommen sind, hat sie gesagt, sie hätte ihn am Morgen gefunden. Jetzt meint sie, sie hätte ihn abends gefunden. Das allein schon.«
    »Sie ist wirklich ein bisschen senil, sonst würde sie einen nicht die ganze Zeit das Gleiche fragen. Wie viel hat sie eigentlich mitbekommen, als das Haus voller Sanitäter war?«
    »Und dann sind da noch die verdammten Medikamente, die sie nimmt«, erwiderte ich.
    »Genau.«
    »Wir müssen es unbedingt wissen«, sagte ich. »Mit Sicherheit, meine ich.«
    »Großer Gott, stell dir vor, er lebt noch«, sagte Yngve.
    Eine Angst, wie ich sie seit meiner Kindheit nicht mehr empfunden hatte, wallte in mir auf. Ich ging am Geländer auf und ab, blieb stehen und schaute zum Fenster hinein, um zu sehen, ob Großmutter da war, drehte mich zu Yngve um, der erneut, die Hände um das Geländer geschlossen, zum Horizont blickte. Oh, verdammt, verdammt. Die Fakten sprachen eine klare Sprache. Die Einzige, die Vater gesehen hatte, war Großmutter, ihre Zeugenaussage war alles, was wir hatten, und so verwirrt und mitgenommen, wie sie war, gab es keinen Grund anzunehmen, dass sie der Wahrheit entsprach. Als Gunnar eintraf, war alles schon vorbei gewesen, der Krankenwagen hatte ihn mitgenommen, und danach hatte keiner mit dem Krankenhaus oder dem Personal gesprochen, das hier gewesen war. Und im Beerdigungsinstitut hatten sie auch nichts gewusst. Etwas mehr als vierundzwanzig Stunden waren vergangen, seit sie ihn gefunden hatte. In dieser Zeit hätte er in einem Krankenhaus liegen können.
    »Sollen wir Gunnar anrufen?«, sagte ich.
    Yngve wandte sich zu mir um.
    »Er weiß doch auch nicht mehr als wir.«
    »Wir müssen noch einmal mit Großmutter reden«, sagte ich. »Und vielleicht den Bestatter anrufen. Der müsste das doch eigentlich herausfinden können.«
    »Das Gleiche habe ich auch gerade gedacht«, meinte Yngve.
    »Rufst du ihn an?«
    »Kann ich machen.«
    Wir gingen hinein. Ein plötzlicher Windstoß blies die Gardinen, die vor der Tür hingen, ins Wohnzimmer. Ich schloss die Tür und folgte Yngve ins Esszimmer und in die Küche. Unten wurde die Haustür zugeschlagen. Ich begegnete Yngves Blick. Was geschah jetzt?
    »Wer mag das sein?«, sagte Großmutter.
    War das Vater?
    Kam er zurück?
    Nie zuvor hatte ich eine solche Angst gehabt.
    Man hörte Schritte auf der Treppe.
    Das war Vater, ich wusste es.
    Oh, verdammt, verdammt, jetzt kam er.
    Ich drehte mich um und ging ins Wohnzimmer, bis zur Verandatür, und war bereit, aus dem Haus zu laufen, über den Hof zu rennen, die Stadt zu verlassen und nie wieder zurückzukehren.
    Ich zwang mich, stehen zu bleiben. Hörte, wie das Geräusch der Schritte die Richtung änderte, als sie die Biegung der Treppe erreichten. Die letzten Stufen nach oben, dann ins Wohnzimmer.
    Er würde außer sich vor Wut sein. Was zum Teufel trieben wir da, so in seinen Sachen zu wühlen, einfach herzukommen und in sein Leben zu trampeln?
    Ich sah Gunnar in die Küche kommen.
    Natürlich war es Gunnar.
    »Wie ich sehe, habt ihr schon einiges getan«, sagte er.
    Ich ging zu den beiden hinüber. Dumm kam ich mir nicht vor, ich empfand eher Erleichterung, denn wenn Gunnar hier war, falls Vater käme, würde es für uns einfacher werden.
    Sie saßen am Küchentisch.

»Ich habe mir überlegt, dass ich heute Nachmittag schon mal eine Fuhre zur Müllkippe fahren könnte«, meinte Gunnar. »Sie liegt auf

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