Sterben: Roman (German Edition)
dem Weg zum Sommerhaus. Dann komme ich morgen Vormittag mit dem Anhänger zurück und helfe euch ein bisschen. Ich glaube fast, wenn wir den Müll vor der Garage aufladen, ist er schon voll.«
»Das denke ich auch«, sagte Yngve.
»Wir könnten noch ein paar Tüten füllen«, sagte Gunnar. »Mit Kleidern aus seinem Zimmer und so.«
Er stand auf.
»Dann wollen wir mal. Das geht schnell.«
Im Wohnzimmer blieb er stehen und schaute sich um.
»Die Kleider da könnten wir doch eigentlich gleich mitnehmen, oder? Dann müsst ihr sie nicht mehr sehen, während ihr hier seid … widerliches Zeug …«
»Das kann ich übernehmen«, sagte ich. »Ich denke, man sollte besser Handschuhe anziehen.«
Ich streifte mir die gelben Handschuhe über, während ich ins Zimmer ging, und stopfte alles, was auf der Couch lag, in einen schwarzen Müllsack. Schloss die Augen, als meine Hände nach dem getrockneten Kot griffen.
»Nimm die Kissen auch gleich mit«, sagte Gunnar. »Und den Teppich da. Der sieht nicht gut aus.«
Ich befolgte seine Anweisungen und trug den Teppich die Treppen hinunter und vors Haus, wo ich ihn auf den Anhänger warf. Yngve kam dazu, und wir begannen, die Säcke, die dort standen, aufzuladen. Gunnars Wagen war auf der anderen Straßenseite geparkt, deshalb hatten wir das Motorengeräusch nicht gehört. Als der Anhänger beladen war, wiederholten er und Yngve die Umparkprozedur, bis Gunnars Auto rückwärts in der Auffahrt stand und wir den Anhänger nur noch ankoppeln mussten. Als er weg war und Yngve wieder vor der Garage geparkt hatte, setzte ich mich auf die Treppe. Yngve lehnte sich an den Türrahmen. Auf seiner Stirn glänzte Schweiß.
»Ich habe wirklich geglaubt, Vater würde die Treppe hochkommen«, sagte er nach einer Weile.
»Ich auch«, erwiderte ich.
Eine Elster flog von dem Dach auf der anderen Seite des Gartens und glitt über uns durch die Luft. Sie schlug zwei Mal mit den Flügeln, und das Geräusch, irgendwie ledrig, klang unwirklich.
»Er ist bestimmt tot«, sagte Yngve. »Aber wir müssen uns ganz sicher sein können. Ich werde anrufen.«
»Weiß der Henker«, sagte ich. »Alles, was wir haben, ist Großmutters Wort. Und bei so viel Suff und Elend, wie es in diesem Haus gegeben hat, ist es gut möglich, dass er bloß sturzbetrunken war. Das erscheint mir wirklich nicht abwegig. Das wäre typisch für ihn gewesen, nicht wahr? Nach Hause zu kommen, während wir in seinen Sachen herumschnüffeln? Und was sie da gesagt hat … wie ist es möglich, dass sie ihn erst am Morgen und dann am Abend gefunden haben will? Wie kann man sich denn bei so was nicht sicher sein?«
Yngve sah mich an.
»Vielleicht ist er ja am Abend gestorben, aber sie hat gedacht, er würde nur schlafen. Dann hat sie ihn am Morgen gefunden. Das ist eine Möglichkeit. Und jetzt quält es sie so, dass sie es nicht zugeben kann. Daraufhin hat sie sich zurechtgelegt, dass er am Morgen gestorben ist.«
»Ja«, sagte ich. »Kann sein.«
»Aber in der Hauptsache ändert sich dadurch nichts«, erklärte Yngve. »Ich gehe hoch und rufe an.«
»Ich komme mit«, sagte ich und folgte ihm in die erste Etage. Während er in seiner Brieftasche nach der Visitenkarte des Bestatters suchte, schloss ich möglichst leise die Tür zur Küche, in der Großmutter saß, und ging in das zweite Zimmer. Yngve wählte die Nummer. Es war für mich schier unerträglich, dem Gespräch zu lauschen, andererseits gelang es mir aber auch nicht wegzuhören.
»Hallo, hier spricht Yngve Knausgård. Wir sind heute bei Ihnen gewesen, falls Sie sich erinnern …? … Ja, genau. Wir haben uns gefragt … nun ja, ob Sie wissen, wo unser Vater ist? Sehen Sie, die Umstände sind hier ein wenig unklar … Die Einzige, die hier war, als er abgeholt wurde, war unsere Großmutter. Und sie ist schon sehr alt und nicht immer völlig zurechnungsfähig. Deshalb wissen wir einfach nicht wirklich, was eigentlich passiert ist. Könnten Sie das vielleicht für uns ermitteln? … Ja … Ja … Ja. Großartig. Ich danke Ihnen… Vielen Dank. Ja … Tschüss.«
Als er auflegte, sah Yngve zu mir herüber.
»Er ist in seinem Sommerhaus. Aber er meint, dass er ein paar Leute anruft und es herausfindet. Er ruft mich dann später zurück.«
»Gut«, sagte ich.
Ich ging in die Küche, füllte einen Eimer mit heißem Wasser, gab etwas Schmierseife hinein, griff mir einen Wischlappen und ging ins Wohnzimmer, wo ich einen Moment stehen blieb, ohne recht zu wissen, wo ich
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