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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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diesen Weg ein, und ich folgte ihm wie ein kleiner, dummer Hund, das ist richtig, aber ich folgte ihm. Ich blätterte ein wenig in Adorno, las ein paar Seiten Benjamin, saß ein paar Tage über Blanchot gebeugt, warf einen Blick in Derrida und Foucault, versuchte mich eine Weile an Kristeva, Lacan, Deleuze, während gleichzeitig Gedichte von Ekelöf, Björling, Pound, Mallarmé, Rilke, Trakl, Ashbery, Mandelstam, Lunden, Thomsen und Hauge herumlagen, denen ich nie mehr als ein paar Minuten widmete, ich las sie wie Prosa, wie ein Buch von MacLean oder Bagley, und lernte nichts, begriff nichts, aber allein schon in Kontakt mit ihnen zu stehen, Bücher von ihnen im Regal zu haben, führte zu einer Bewusstseinsverschiebung, nur zu wissen, dass es sie gab, war bereits eine Bereicherung, und obwohl sie mir keine Erkenntnisse eintrugen, bereicherten sie mich doch umso mehr um Ahnungen und Wahrnehmungen.
    Nun war das natürlich nichts, womit man bei einer Prüfung oder in einer Diskussion hätte auftrumpfen können, aber andererseits war es auch nicht das, was ich, der König des Ungefähren, anstrebte − sondern die Bereicherung. Und was mich bereicherte, wenn ich beispielsweise Adorno las, lag nicht in dem, was ich las, sondern in der Vorstellung, die ich von mir selbst bekam, wenn ich las. Ich war ein Mensch, der Adorno las! Und in dieser schwierigen, komplexen, umständlichen, präzisen Sprache, die das Denken stetig höher schraubte und in der jeder Punkt gesetzt war wie der Kletterhaken eines Bergsteigers, gab es zudem etwas anderes, diese ganz bestimmte Annäherungsweise an die Stimmung der Wirklichkeit, diese Schatten der Sätze, die zuweilen eine vage Begierde in mir weckten, diese Sprache mit ihrer besonderen Stimmung auf etwas Wirkliches, etwas Lebendiges anzuwenden. Nicht auf ein Argument, sondern einen Luchs oder eine Amsel oder einen Zementmischer. Denn es war nicht so, dass die Sprache die Wirklichkeit in ihre Stimmungen hüllte, sondern umgekehrt, dass die Wirklichkeit aus ihnen hervortrat.
    Artikuliert wurde das alles nicht, es existierte nicht in Form von Gedanken und kaum als Ahnung, eher als eine Art unklare Anziehungskraft. Diese Seite von mir hielt ich von Yngve fern, zunächst, weil er sich weder dafür interessierte, noch daran glaubte, denn er studierte Medienwissenschaften und war auf die Überzeugung dieses Fachs eingeschworen, dass es so etwas wie objektive Qualität nicht gab, alle Werturteile relativ waren und das Populäre selbstverständlich genauso gut war wie das weniger Populäre, aber mit der Zeit bedeutete mir dieser Unterschied und was ich für mich behielt, ihm also vorenthielt, viel mehr, auf einmal ging es um uns als Menschen und darum, dass der Abstand zwischen mir und Yngve im Grunde groß war, und das wollte ich nicht, auf gar keinen Fall, weshalb ich systematisch alles herunterspielte, was damit zusammenhing. Erlitt ich eine Niederlage, misslang mir etwas, hatte ich etwas gründlich missverstanden, zögerte ich nie, ihm davon zu erzählen, denn alles, was mich in seinen Augen herunterzog, war gut, während ich es, wenn ich etwas Bedeutsames erreicht hatte, oft unterließ, ihm etwas davon zu sagen.
    Für sich genommen war das vielleicht halb so wild, aber als es anfing, sich in meinem Bewusstsein geltend zu machen, wurde die Sache schlimmer, denn daraufhin dachte ich daran, wenn wir zusammen waren, so dass ich mich nicht mehr natürlich und impulsiv verhielt, nicht mehr einfach plauderte, wie ich es in seiner Gesellschaft immer getan hatte, sondern anfing zu berechnen, zu kalkulieren, zu reflektieren. Bei Espen passierte das Gleiche, bloß unter umgekehrten Vorzeichen, bei ihm spielte ich das leichte, unterhaltsame Leben herunter. In dieser Zeit hatte ich eine Freundin, in die ich nie verliebt gewesen war, nicht wirklich, was sie natürlich nicht erfahren durfte. Vier Jahre waren wir zusammen. Da saß ich also, spielte Rollen und gab mich mal so, mal so. Als wäre das nicht genug, arbeitete ich außerdem noch in einer Anstalt für psychisch Behinderte und beschränkte mich nicht darauf, den anderen Angestellten, die ausgebildete Krankenpfleger waren, nach dem Mund zu reden, sondern begleitete sie darüber hinaus, wenn sie ausgingen, und zwar in einen Teil der Stadt, den Studenten mieden, in die volkstümlichen Kneipen mit Pianisten und gemeinsamem Gesang, um dort ihre Meinungen und Standpunkte und Vorstellungen zu übernehmen. Das bisschen Eigenes, was ich besaß, leugnete ich

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