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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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ich.
    Er sah mich an.
    »Aber das geht doch nicht«, sagte er.
    »Das wird schon gehen«, widersprach ich. »Wir haben noch fünf Tage. Das geht.«
    Er sah weg. Vielleicht wegen der Tränen in meinen Augen.
    »Das entscheidet ihr natürlich«, sagte er. »Wenn ihr denkt, dass sich das machen lässt, dann wird es eben so gemacht. Aber dann sollten wir zusehen, dass wir in die Gänge kommen!«
    Er wandte sich um und ging ins Wohnzimmer. Ich folgte ihm.
    »Wir müssen alles wegwerfen, was hier steht. Es hat keinen Sinn, etwas aufzubewahren. Die Couchen, wie sehen die aus?«
    »Die eine ist okay«, sagte ich. »Die kriegen wir sauber. Die andere denke ich …«
    »Dann nehmen wir die mit«, entschied er.
    Er stellte sich an das eine Ende der großen, schwarzen, dreisitzigen Ledercouch. Ich ging zum anderen, bückte mich und packte unten an.
    »Wir tragen sie durch die Verandatür«, meinte Gunnar. »Kannst du uns bitte aufmachen, Tove?«
    Als wir sie durchs Wohnzimmer schleppten, stand Großmutter in der Küchentür.
    »Was macht ihr denn mit der Couch?«, sagte sie.
    »Wir werfen sie weg«, antwortete Gunnar.
    »Seid ihr verrückt geworden!«, sagte sie. »Warum wollt ihr sie wegwerfen? Ihr könnt doch nicht einfach meine Couch wegwerfen!«
    »Die ist hin«, sagte Gunnar.
    »Das geht euch nichts an!«, rief sie. »Das ist meine Couch!«
    Ich blieb stehen. Gunnar sah mich an.
    »Wir müssen das tun, verstehst du?«, sagte er zu ihr. »Jetzt komm schon, Karl Ove, raus mit dem Ding.«
    Großmutter machte einen Schritt auf uns zu.
    »Das könnt ihr nicht tun!«, sagte sie. »Das hier ist mein Haus!«
    »Doch, das können wir«, entgegnete Gunnar.
    Wir waren zu der kleinen Treppe zum Esszimmer gekommen. Ich machte seitlich ein paar Schritte, ohne Großmutter anzusehen, die sich neben das Klavier gestellt hatte. Ich spürte ihren eisernen Willen. Gunnar nahm ihn nicht wahr. Oder vielleicht doch? Kämpfte er auch mit ihm? Sie war seine Mutter.
    Er ging die beiden Treppenstufen rückwärts und bewegte sich sachte durchs Zimmer.
    »Das könnt ihr doch nicht machen!«, sagte Großmutter. Im Laufe der letzten Minuten hatte sie sich völlig verändert. Ihre Augen funkelten. Ihr Körper, der zuvor so passiv und in sich selbst verkapselt gewesen war, agierte nun nach außen. Sie hatte die Arme in die Hüften gestemmt und fauchte.
    »Oohh!«
    Dann drehte sie sich um.
    »Nein, das sehe ich mir nicht länger an«, erklärte sie und kehrte in die Küche zurück.
    Gunnar lächelte mir zu. Ich stieg die beiden Stufen hinab, trat auf den Fußboden und machte ein paar seitliche Schritte, um zur Tür zu gelangen. Es zog, ich spürte den Wind auf meiner nackten Haut an Beinen und Armen. Die Gardinen bauschten sich.
    »Geht’s?«, sagte Gunnar.
    »Denke schon«, erwiderte ich.
    Auf der Veranda setzten wir die Couch ab und ruhten uns einige Sekunden aus, ehe wir sie das letzte Stück die Treppe hinunter, durch den Garten und zum Anhänger vor dem Garagentor trugen. Als wir das erledigt hatten und sie an Ort und Stelle stand, wobei das eine Ende etwa einen Meter über den Rand hinausragte, holte Gunnar ein blaues Seil aus dem Kofferraum und machte sich daran, sie festzuzurren. Ich wusste nicht so recht, was ich tun sollte, stand daneben und sah ihm zu, falls er Hilfe benötigen sollte.
    »Mach dir wegen ihr keine Gedanken«, sagte er, ohne aufzublicken. »Sie weiß im Moment nicht, was das Beste für sie ist.«
    »Ja«, sagte ich.
    »Du hast bestimmt einen besseren Überblick als ich. Was müssen wir noch wegwerfen?«
    »Einiges aus seinem Zimmer. Und aus ihrem. Und aus dem Wohnzimmer. Aber nichts Großes. Nichts wie die Couch.«
    »Ihre Matratze vielleicht?«, sagte er.
    »Ja«, antwortete ich. »Und seine. Aber wenn wir ihre wegwerfen, müssen wir erst eine neue beschaffen.«
    »Wir könnten eine aus ihrem alten Schlafzimmer nehmen«, meinte er.
    »Das können wir machen«, sagte ich.
    »Falls sie protestiert, wenn ihr hier alleine seid, dann schert euch nicht weiter darum. Tut einfach, was ihr tun müsst. Es ist zu ihrem eigenen Besten.«
    »Ja«, sagte ich.
    Er sammelte das restliche Seil in einer Schleife und band es am Anhänger fest.
    »Das müsste halten«, sagte er, richtete sich auf und sah mich an.
    »Übrigens, habt ihr mal einen Blick in die Garage geworfen?«
    »Nein?«, erwiderte ich fragend.
    »Da stehen seine Sachen. Die ganze Fuhre. Das Zeug müsst ihr mitnehmen. Aber am besten seht ihr es vorher durch. Vieles kann man bestimmt

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