Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
Vom Netzwerk:
schon hier wegwerfen.«
    »Machen wir«, sagte ich.
    »Viel mehr bekommen wir nicht mehr auf den Anhänger. Wir bringen es schon mal zur Kippe. Ihr tragt in der Zwischenzeit weiter Sachen raus, und wir fahren dann noch mal. Ich denke, das dürfte reichen. Sollte es noch mehr sein, kann ich Anfang der Woche eventuell wieder vorbeischauen.«
    »Vielen Dank«, sagte ich.
    »Das ist nicht leicht für euch«, sagte er. »Das verstehe ich.«
    Als ich seinem Blick begegnete, sahen wir uns einige Sekunden in die Augen, ehe er wegschaute. In seinem sonnengebräunten Gesicht wirkten die Augen fast so klar und blau wie Vaters.
    Da war so viel, was er nicht haben wollte. All das, wovon ich überlief, zum Beispiel.
    Er legte die Hand auf meine Schulter.
    In mir zerriss etwas. Ich schluchzte.
    »Ihr seid gute Jungen«, sagte er.
    Ich musste mich abwenden, beugte mich vor, legte das Gesicht in die Hände. Mein Körper zitterte. Dann ging es vorbei, und ich richtete mich auf und atmete tief durch.
    »Weißt du, wo man sich hier Gerätschaften ausleihen kann? Du weißt schon, Bodenschleifgeräte und größere Rasenmäher und so?«
    »Wollt ihr das Parkett abschleifen?«
    »Nein, nein, das war nur ein Beispiel. Aber ich dachte, ich nehm mir mal den Rasen vor. Und mit einem normalen Rasenmäher werde ich wohl nicht weit kommen.«
    »Ist das nicht ein bisschen überambitioniert? Wäre es nicht besser, sich auf das Haus zu konzentrieren?«
    »Doch, mag sein. Aber falls wir noch Zeit dafür haben sollten.«
    Er senkte den Kopf ein wenig und kratzte sich mit einem Finger im Haar.
    »Es gibt einen Verleih in Grim. Die müssten so was haben. Am besten guckt ihr mal ins Branchenbuch.«
    Neben uns leuchtete plötzlich die weiße Grundmauer des Hauses auf. Ich blickte hoch. Die Wolkendecke hatte einen Riss bekommen, durch den die Sonne schien. Gunnar ging die Treppe hinauf ins Haus. Ich folgte ihm. Auf dem Fußboden im Flur vor Vaters Zimmer lagen zwei Müllsäcke voller Kleider und Gerümpel. Neben ihnen lag der verdreckte Stuhl. Im Zimmer stand Yngve und sah zu uns her. Er trug gelbe Putzhandschuhe.
    »Die Matratze sollten wir wohl wegwerfen«, sagte er. »Ist noch Platz für sie?«
    »Jetzt nicht«, erklärte Gunnar. »Wir nehmen sie beim nächsten Mal mit.«
    »Das hier haben wir übrigens unter dem Bett gefunden«, sagte Yngve und griff nach dem Konvolut, das er auf die Konsole an der Wand gelegt hatte, und reichte es Gunnar.
    Gunnar zog die Enden zur Seite und sah hinein.
    »Wie viel ist es?«, sagte er.
    »Ungefähr zweihunderttausend«, antwortete Yngve.
    »Tja, das gehört jetzt euch«, sagte er. »Aber vergesst ja nicht eure Schwester, wenn ihr es aufteilt.«
    »Natürlich nicht«, sagte Yngve.
    Hatte er daran gedacht?
    Ich nicht.
    »Anschließend müsst ihr selbst entscheiden, ob ihr das Geld angeben wollt oder nicht«, sagte Gunnar.
    Als Gunnar eine Viertelstunde später mit dem vollen Anhänger losfuhr, blieb Tove da und half uns beim Putzen. Alle Türen und Fenster im Haus standen offen, und dass die Luft in den Räumen in Bewegung kam und Sonnenlicht auf die Böden fiel und es nach Putzmitteln roch, was zumindest in der ersten Etage der dominierende Geruch war, führte dazu, dass sich das Haus öffnete und zu einem Ort wurde, den die Welt durchströmte, was ich tief drinnen in meiner düsteren Gefühlslage spürte und als wohltuend empfand. Ich machte mit den Treppen und Yngve mit Vaters Zimmer weiter, während Tove sich das Zimmer vornahm, in dem er gefunden worden war. Die Fensterbänke, die Wandleisten, die Türen, die Regale. Nach einer Weile ging ich in die Küche, um mir frisches Wasser zu holen. Großmutter sah auf, als ich das alte Wasser ausschüttete, aber ihr Blick war leer und desinteressiert und wandte sich schon bald wieder der Tischplatte zu. Das Wasser wirbelte in der Spüle langsam im Kreis, stetig weniger werdend, graubraun und trüb, bis die letzten, weiß schäumenden Reste verschwanden und auf dem glänzenden Metall eine matte Schicht aus Sand, Haaren und unterschiedlichem Müll zurückblieb. Ich öffnete den Wasserhahn und ließ den Strahl eine Weile über die Ränder des Eimers laufen, bis aller Dreck fort war und ich ihn mit neuem, siedend heißem Wasser füllen konnte. Als ich kurz darauf ins Wohnzimmer kam, drehte Tove sich zu mir um und lächelte.
    »Hier sieht es vielleicht aus!«, sagte sie.
    Ich blieb stehen.
    »Es geht jedenfalls voran«, sagte ich.
    Sie legte den Putzlappen auf das Regal, strich

Weitere Kostenlose Bücher