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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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bekommen hast.«
    »Nein, die habe ich nicht genommen.«
    Ich holte ein Glas aus dem Schrank, füllte es mit Wasser und reichte es ihr zusammen mit einer Tablette. Großmutter legte sie auf ihre Zunge und spülte sie hinunter. Sie schien nichts mehr sagen zu wollen, und um nicht von einem bedrückenden Ringen um Worte gefangen zu werden, nahm ich statt der Brote, die ich mir ursprünglich vorgestellt hatte, zwei Äpfel sowie ein Glas Wasser und eine Tasse Kaffee mit nach draußen. Der Tag war wie der vorherige mild und grau. Vom Meer kommend wehte ein leichter Wind, Möwen schrien über dem Hafenbecken, irgendwo in der Nähe ertönten metallische Schläge. Unten in der Stadt rauschte gleichmäßig der Verkehr. Über den Dächern zweier Häuserblocks vor dem Kai ragte steil und schmächtig ein Baukran in die Höhe. Er war gelb, und an seinem oberen Ende befand sich eine weiße Kajüte oder wie diese Kabine auch hieß, in welcher der Kranführer saß. Seltsam, dass er mir nicht schon früher aufgefallen war. In meinen Augen waren nur wenige Dinge schöner als Turmkräne, das Skelettartige ihrer Konstruktion, die Drahtseile, die an der Ober- und Unterseite des waagerecht abstehenden Auslegers verliefen, der riesige Haken, die Art, in der die schweren Gegenstände träge baumelten, wenn sie durch die Luft transportiert wurden, der Himmel, vor dem man dieses mechanische Provisorium sah.
    Ich hatte gerade den ersten Apfel mit Stumpf und Stiel und allem verspeist und wollte mich an den zweiten machen, als Yngve durch den Garten näherkam. Er hielt ein dickes Konvolut in der Hand.
    »Sieh mal, was ich gefunden habe«, sagte er und reichte es mir.
    Ich faltete es auf und schaute darauf. Es war voller Tausender.
    »Es sind ungefähr zweihunderttausend«, erklärte er.
    »Mannomann«, sagte ich. »Wo lag es?«
    »Unter dem Bett. Es muss das Geld sein, das er für das Haus in der Elvegaten bekommen hat.«
    »Oh, verdammt«, sagte ich. »Dann ist das alles, was noch übrig ist?«
    »Wahrscheinlich. Er hat das Geld nicht mal zur Bank gebracht, es lag einfach unter seinem Bett. Und dann hat er es schlichtweg vertrunken. Tausender für Tausender.«
    »Das Geld ist mir scheißegal«, sagte ich. »Es ist nur ein so verdammt tristes Leben gewesen, das er hier geführt hat.«
    »Das kann man wohl sagen«, stimmte Yngve mir zu.
    Er setzte sich. Ich legte das Päckchen auf den Tisch.
    »Was sollen wir damit machen?«, sagte er.
    »Keine Ahnung«, erwiderte ich. »Es teilen, nehme ich an?«
    »Ich dachte eher an die Erbschaftssteuer und so.«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Wir fragen jemanden«, sagte ich. »Jon Olav, zum Beispiel. Er ist doch Anwalt.«
    Das Motorengeräusch eines Autos dröhnte aus der schmalen Straße unterhalb des Hauses herauf. Obwohl ich den Wagen nicht sehen konnte, erkannte ich an der Art zu halten, zurückzusetzen und wieder vorwärts anzufahren, dass er zu uns wollte.
    »Wer mag das sein?«, sagte ich.
    Yngve stand auf und griff nach dem Konvolut.
    »Wer soll es aufbewahren?«, sagte er.
    »Übernimm du das«, antwortete ich.
    »Jetzt ist zumindest das Problem der Beerdigungskosten gelöst«, meinte er und ging an mir vorbei. Ich folgte ihm ins Haus. Im Flur des Erdgeschosses hörte man Stimmen. Es waren Gunnar und Tove. Wir standen zwischen der Tür zum Flur und der Tür zur Küche, als sie heraufkamen, und fühlten uns nicht ganz wohl in unserer Haut, so als wären wir noch Kinder. Yngve hielt den Umschlag mit dem Geld in der Hand.
    Tove war genauso braun und hatte sich ebenso gut gehalten wie Gunnar.
    »Hallo, ihr zwei!«, begrüßte sie uns und lächelte.
    »Hallo«, sagte ich. »Lange nicht gesehen.«
    »Allerdings«, sagte sie. »Schade, dass wir uns unter so traurigen Umständen wiedersehen müssen.«
    »Ja«, sagte ich.
    Wie alt waren die beiden eigentlich? Ende vierzig?
    Großmutter stand in der Küche auf.
    »Ihr seid das?«, sagte sie.
    »Setz dich, Mutter«, sagte Gunnar. »Wir dachten nur, dass wir Yngve und Karl Ove ein bisschen beim Aufräumen helfen sollten.«
    Er zwinkerte uns zu.
    »Eine Tasse Kaffee könnt ihr aber doch trinken, oder?«, sagte Großmutter.
    »Für uns bitte keinen«, wehrte Gunnar ab. »Wir wollen gleich weiter. Die Jungen sind alleine im Sommerhaus.«
    »Ja, ja«, sagte Großmutter.
    Gunnar machte einen Schritt in die Küche.
    »Ihr habt ja schon einiges geschafft«, sagte er. »Ich bin beeindruckt.«
    »Wir wollten das Traueressen nach der Beerdigung hier abhalten«, sagte

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