Sterben: Roman (German Edition)
leeren Plastiktüten zusammen und legte sie in die unterste Schublade. Die Magarine in der Pfanne zischte ein wenig. Der Wasserstrahl aus dem Hahn wurde von den Kartoffeln unterbrochen, die ich darunter hielt, und das Wasser, das an den Rändern des Spülbeckens herablief, hatte nicht genug Kraft, die ganze Erde an den Kartoffeln fortzuschwemmen, wie eine Schlammschicht legte sie sich um die Löcher im Abfluss, bis die Kartoffeln sauber waren und ich sie aus dem Strahl nahm, der binnen einer knappen Sekunde alles mit sich riss, woraufhin das Metall der Spüle wieder sauber und klar glänzte.
»Ja, ja«, sagte Großmutter am Tisch.
Ihre tief liegenden Augenhöhlen, die Dunkelheit in den sonst so hellen Augen, die Knochen, die überall an ihrem Körper hervortraten.
Yngve stand im Zimmer und trank Cola aus einem Glas.
»Kann ich dir bei etwas helfen?«, erkundigte er sich.
Er setzte das leere Glas auf der Spüle ab und deutete ein Rülpsen an.
»Nein, ich mach das schon«, sagte ich.
»Dann gehe ich was raus«, erklärte er.
»Tu das«, sagte ich.
Ich legte die Kartoffeln ins Wasser, das von der Hitze bereits in Wallung gebracht worden war, kleine Blasen stiegen in ihm auf. Ich holte das Salz, das auf der Dunstabzugshaube in dem kleinen, silbernen Wikingerschiff stand, dessen Ruder Löffel waren, träufelte ein wenig ins Wasser und schnitt den Blumenkohl klein, füllte einen weiteren Topf mit Wasser und setzte ihn auf, ehe ich die Lachspackung mit einem Messer öffnete und die vier Filets herausnahm, salzte und auf einen Teller legte.
»Heute Abend gibt es Fisch«, sagte ich. »Lachs.«
»Aha«, sagte Großmutter. »Das wird sicher lecker.«
Sie musste baden und sich die Haare waschen. Saubere Kleider anziehen. Ich sehnte mich fast danach. Doch wer sollte dafür sorgen? Aus eigenem Antrieb schien sie es jedenfalls nicht zu tun. Wir konnten sie nicht darum bitten, das ging einfach nicht. Was sollten wir tun, wenn sie nicht wollte? Zwingen konnten wir sie auch nicht.
Wir mussten Tove fragen. Wenn es jemand vom selben Geschlecht machte, war es wenigstens nicht ganz so demütigend. Und jemand, der ihr eine Generation näher stand als wir.
Ich legte die Fischstücke in die Pfanne und schaltete die Dunstabzugshaube ein. Binnen weniger Sekunden wurden die Unterseiten heller, anfangs tief, fast schon rötlich rosa, wurden sie nach und nach blassrosa, und ich sah, wie diese neue Farbe im Fischfleisch allmählich höher stieg. Ich stellte die brodelnd kochenden Kartoffeln kleiner.
»Ohh«, sagte Großmutter.
Ich sah sie an. Sie saß genau wie vorher, und es schien ihr nicht bewusst zu sein, dass ihr soeben ein Stöhnen entfahren war.
Er war ihr erstes Kind gewesen.
Es war nicht vorgesehen, dass Kinder vor ihren Eltern starben, das war nicht vorgesehen. Nicht vorgesehen.
Und ich, wer war Vater für mich gewesen?
Jemand, dessen Tod ich wünschte.
Warum dann all diese Tränen?
Ich schnitt den Beutel mit den Bohnen auf. Sie waren von einer dünnen Schicht flaumigen Reifs bedeckt und sahen fast grau aus. Mittlerweile kochte auch der Blumenkohl. Ich stellte die Platte kleiner und sah auf die Uhr an der Wand. Zwölf nach halb fünf. Vier Minuten noch, dann war der Blumenkohl gar. Oder sechs. Die Kartoffeln würden noch fünfzehn Minuten brauchen. Ich hätte sie hälfteln sollen. Es würde ja ohnehin kein Festmahl werden.
Großmutter sah mich an.
»Trinkt ihr auch schon mal ein Bier zum Essen?«, sagte sie. »Ich habe gesehen, dass Yngve eine Flasche gekauft hat.«
Das hatte sie gesehen?
Ich schüttelte den Kopf.
»Manchmal«, sagte ich. »Aber eher selten. Ehrlich gesagt, sehr selten.«
Ich wendete die Lachsfilets. Bräunlich schwarze Streifen verliefen hier und da auf dem hellen Fleisch. Aber sie waren nicht angebrannt.
Ich schüttete die Bohnen in den Topf, gab Salz hinein und goss überschüssiges Wasser ab. Großmutter lehnte sich vor und sah aus dem Fenster. Ich zog die Bratpfanne ein wenig zur Seite, drehte die Platte herunter und ging zu Yngve auf die Veranda hinaus. Er saß auf dem Stuhl und sah in die Ferne.
»Gleich gibt’s Essen«, sagte ich. »In fünf Minuten.«
»Gut«, sagte er.
»Das Bier, das du gekauft hast«, sagte ich. »Wolltest du es zum Essen trinken?«
Er nickte und warf mir einen flüchtigen Blick zu.
»Warum?«
»Es ist nur wegen Großmutter«, erläuterte ich. »Sie hat mich gefragt, ob wir oft Bier zum Essen trinken würden. Ich dachte nur, dass es vielleicht nicht sein
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