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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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Fisch ab und spießte ihn mit der Gabel auf. Das dunkelgraue, fette Fleisch, rund um die drei Sporne zerfasert, war so mürbe, dass ich es mit der Zunge am Gaumen zerdrücken konnte.
    Nach dem Essen putzten wir weiter. Die Treppe war fertig, so dass ich dort weitermachte, wo Tove aufgehört hatte, während Yngve sich das Esszimmer vornahm. Draußen regnete es. Eine feine Schicht aus Sprühregen legte sich auf die Fenster, die Mauer auf der Terrasse wurde ein wenig dunkler, und über dem Meer, wo es vermutlich heftiger regnete, waren die Wolken am Horizont von Regen gestreift. Ich befreite die zahlreichen kleinen Schmuckgegenstände, Lampen, Bilder und Souvenirs, die in den Regalen standen, vom Staub, und stellte sie nach und nach auf den Fußboden, um zuletzt die Regalbretter abzuwischen. Eine Öllampe, die aussah, als stammte sie aus Tausendundeine Nacht , zugleich billig und kostbar, mit schnörkeligen Ornamenten und goldähnlichen Verzierungen; eine Gondel aus Venedig, die wie eine Lampe leuchtete; ein Bild Großmutters und Großvaters vor einer Pyramide in Ägypten. Während ich es betrachtete, hörte ich Großmutter in der Küche aufstehen. Ich wischte Glas und Rahmen ab und stellte es weg, griff nach dem kleinen Ständer mit altertümlichen Singles. Großmutter stand mit den Händen auf dem Rücken vor mir und sah mich an.
    »Nein, das brauchst du doch nun wirklich nicht tun«, sagte sie. » So gründlich musst du nun wirklich nicht sein.«
    »Das ist schnell gemacht«, erwiderte ich. »Wenn ich schon mal dabei bin, kann ich das genauso gut erledigen.«
    »Ja, ja«, sagte sie. »Hübsch wird es schon.«
    Als ich den Ständer abgestaubt hatte, stellte ich ihn auf den Fußboden, legte die Platten daneben, öffnete den Schrank und hob die alte Stereoanlage heraus, die darin stand.
    »Ihr nehmt abends nicht auch mal einen kleinen Drink, oder?«, sagte sie.
    »Nein«, antwortete ich. »Jedenfalls nicht unter der Woche.«
    »Das habe ich mir gedacht«, sagte sie.
    In der Stadt auf der anderen Seite des Flusses leuchteten die Lampen jetzt klarer. Wie viel Uhr war es wohl? Halb sechs? Sechs?
    Ich putzte die Regale und stellte die Stereoanlage an ihren Platz zurück. Großmutter, die wohl verstand, dass für sie hier nichts mehr zu holen war, wandte sich mit einem leisen ja, ja um und ging in das andere Zimmer hinunter. Kurz darauf hörte ich ihre Stimme, gefolgt von Yngves. Als ich in die Küche ging, um mir das Fensterputzmittel und etwas Zeitungspapier zu holen, sah ich durch die halb offene Tür, dass sie sich an den Esstisch gesetzt hatte, um sich mit ihm zu unterhalten, während er weiterarbeitete.
    Die Trinkerei ist ihr wirklich sehr nahe gegangen, dachte ich, nahm die Sprühflasche aus dem Schrank, riss ein paar Seiten aus der Zeitung, die auf dem Stuhl unter der Wanduhr lag, und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Wen wunderte es. Er hatte sich systematisch zu Tode getrunken, anders ließ sich das nicht erklären, und sie war hier gewesen und hatte es mit angesehen. Jeden Morgen, jeden Vormittag, jeden Nachmittag, jeden Abend. Wie lange? Zwei Jahre? Drei Jahre? Nur sie und er. Mutter und Sohn.
    Ich sprühte etwas Putzmittel auf die Glastür im Regal, zerknüllte das Zeitungspapier und rieb damit mehrfach über die herablaufende Seife, bis das Glas trocken war und glänzte. Blickte mich nach weiteren Glasflächen um, die ich bei der Gelegenheit auch gleich abhaken konnte, sah aber nur die Fenster, die ich mir für später aufheben wollte. Stattdessen machte ich mit dem Regal weiter, stellte die Gegenstände an ihren Platz zurück und ging zu dem über, was in den Schränken stand.
    Mittlerweile war die Luft im Hafenbecken von Regen gestreift. Im nächsten Moment schlug er direkt vor mir gegen das Fenster. Große, schwere Tropfen, die sofort abwärts liefen und überall auf der Scheibe zitternde Muster bildeten. Hinter mir ging Großmutter vorbei. Ich drehte mich nicht um, aber ihre Bewegungen drangen dennoch in mein Bewusstsein, als sie stehen blieb, nach der Fernbedienung griff, darauf drückte und sich in den Sessel setzte. Ich legte das Staubtuch ins Regal und ging zu Yngve.
    »Hier steht auch alles voller Flaschen«, meinte er und nickte in Richtung Sideboard, das die ganze Wand einnahm. »Aber das Geschirr und so ist völlig in Ordnung.«
    »Hat sie dich auch gefragt, ob wir oft trinken?«, sagte ich. »Mich hat sie das jedenfalls schon mindestens zehn Mal gefragt, seid wir hier sind.«
    »Ja, hat sie«, sagte

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