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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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du am Wochenende gemacht?« Einmal konnte man sagen: »War zu Hause und habe ferngesehen«, ein anderes Mal auch: »Hab mit einem Freund Platten gehört«, aber dann sollte man möglichst etwas Besseres zu bieten haben, wenn man nicht abgeschrieben werden wollte. Manche waren vom ersten Augenblick an abgeschrieben und blieben es während ihrer gesamten Gymnasialzeit, aber ich wollte um nichts in der Welt so sein wie sie, ich wollte da sein, wo etwas los war, ich wollte zu ihren Feten eingeladen werden, mit ihnen in der Stadt gehen, ihr Leben führen.
    Die große Nagelprobe, die größte Fete des Jahres, war Silvester. In den letzten Wochen war überall darüber gesprochen worden. Bassen wollte zu jemandem, den er in Justvik kannte, so dass ich keine Chance hatte, mich dranzuhängen, und so war ich Anfang der Weihnachtsferien von niemandem eingeladen worden. Mit Jan Vidar, der vier Kilometer weiter unten in Solsletta wohnte und in diesem Herbst eine Konditorausbildung begonnen hatte, diskutierte ich zwischen den Jahren unsere Möglichkeiten. Wir wollten auf eine Fete, und wir wollten uns betrinken. Letzteres würde sicher kein Problem sein; ich spielte in der A-Jugend, und Tom, unser Torhüter, war jemand, der solche Dinge regelte. Er würde sicher nichts dagegen haben, für uns Bier zu kaufen. Die Fete dagegen … Ein paar Neuntklässler der halbkriminellen, dropout-artigen Sorte wollten sich in einem nahegelegenen Haus treffen, aber das kam für mich überhaupt nicht in Frage, da hockte ich lieber zu Hause. Es gab auch noch eine Clique, die wir gut kannten, ohne zu ihr zu gehören, sie kam aus Hamresanden und bestand aus Leuten, mit denen wir entweder in eine Klasse gegangen waren oder Fußball gespielt hatten, aber sie hatten uns nicht eingeladen, und selbst wenn wir uns ihnen irgendwie hätten anschließen können, standen auch sie in meinen Augen nicht hoch genug. Sie wohnten in Tveit, machten Berufsausbildungen oder arbeiteten, und die unter ihnen, die ein Auto besaßen, hatten dessen Sitze mit Fell bezogen, und am Spiegel baumelte ein Wunderbaum. Das waren die Alternativen, denn zu Silvesterfeten musste man eingeladen werden. Andererseits zogen die Leute um zwölf Uhr durch die Straßen und sammelten sich auf Plätzen und an Kreuzungen, um Raketen abzuschießen und auf das neue Jahr anzustoßen. Um sich daran zu beteiligen, bedurfte es keiner Einladung. Viele von meiner Schule wollten zu einer Fete im Kristiansander Vorort Søm, das wusste ich, warum also nicht dorthin gehen? Daraufhin fiel Jan Vidar ein, dass der Schlagzeuger unserer Band, den wir notgedrungen genommen hatten, ein Achtklässler, der in Hånes wohnte, ihm erzählt hatte, dass er an Silvester nach Søm wollte.
    Zwei Telefonate später war alles klar. Tom würde uns Bier besorgen, und wir würden mit Acht- und Neuntklässlern feiern, bis Mitternacht in ihrem Partykeller hocken, danach zu der Straßenkreuzung hochlaufen, an der sich alle trafen, jemanden suchen, den wir aus der Schule kannten, und uns ihm oder ihr für den Rest der Nacht anschließen. Es war ein guter Plan.
    Als ich am Nachmittag nach Hause kam, ließ ich meinen Eltern gegenüber beiläufig fallen, dass ich Silvester eingeladen sei, jemand aus meiner Klasse feiere in Søm eine Fete, ob es okay sei, wenn ich hinginge? Zu Hause würde eine Party stattfinden, meine Großeltern und Vaters Bruder Gunnar mit Familie wollten kommen, aber weder Mutter noch Vater hatten etwas dagegen einzuwenden, dass ich woanders feierte.
    »Klingt doch gut!«, sagte Mutter.
    »Das geht schon in Ordnung«, meinte Vater. »Aber um eins bist du wieder zu Hause.«
    »Aber es ist doch Silvester«, wandte ich ein. »Können wir nicht zwei sagen?«
    »Doch, können wir. Aber dann kommst du auch wirklich um zwei und nicht erst um halb drei. Verstanden?«
    Silvester fuhren wir vormittags mit dem Rad zu dem Geschäft in Ryensletta, vor dem Tom uns erwartete, gaben ihm Geld und bekamen dafür zwei Tüten mit jeweils zehn Flaschen Bier. Jan Vidar versteckte die Tüten im Garten vor dem Haus seiner Familie, und ich radelte heim. Dort waren Mutter und Vater vollauf damit beschäftigt, zu putzen und alles für die Party vorzubereiten. Draußen stürmte es. Ich stand eine Weile in meinem Zimmer am Fenster und sah den Schnee vorbeiwirbeln und den grauen Himmel, der sich zwischen den schwarzen Bäumen im Wald herabgesenkt hatte. Dann legte ich eine Platte auf, griff nach dem Buch, das ich gerade las, und legte mich aufs

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