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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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unter dem Lichtschein der Lampe neben der Couch weiter in seinem Agent X9. Ich schnitt mir ein großes Stück von einer Wurst ab, das ich am Schreibtisch sitzend verspeiste. Er hat mit Sicherheit kein Geburtstagsgeschenk für mich gekauft, schoss es mir durch den Kopf, Mutter bringt es bestimmt aus Bergen mit. Für einen Kuchen würde er aber doch hoffentlich sorgen? Ob er daran wohl gedacht hatte?
    Als ich am nächsten Tag aus der Schule kam, war Mutter zu Hause. Vater hatte sie vom Flughafen abgeholt, und als ich kam, saßen die beiden am Küchentisch, ein Braten war in der Röhre, wir aßen mit Kerzen auf dem Tisch zu Abend, ich bekam einen Scheck über fünfhundert Kronen und ein Hemd, das sie mir in Bergen gekauft hatte. Ich brachte es nicht übers Herz, ihr zu sagen, dass ich es nie anziehen würde, denn immerhin war sie in Bergen in Geschäften gewesen und hatte nach etwas für mich gesucht und daraufhin dieses Hemd gefunden, das sie schön fand und von dem sie glaubte, es würde mir gefallen.
    Ich zog es an, und wir aßen im Wohnzimmer Kuchen und tranken Kaffee. Mutter war gut gelaunt, mehrmals wiederholte sie, wie schön sie es fand, wieder daheim zu sein. Yngve rief an, gratulierte mir und meinte, er werde wahrscheinlich erst Heiligabend nach Hause kommen, mein Geschenk würde ich dann bekommen. Ich ging zum Training, und als ich gegen neun nach Hause kam, waren sie in der Wohnung in der Scheune.
    Ich hätte mich mit Mutter gern allein unterhalten, aber daraus schien nichts zu werden, und nachdem ich eine Weile gewartet hatte, ging ich ins Bett. Am nächsten Tag hatte ich eine Prüfung in der Schule, die letzten zwei Wochen waren voll davon, ich gab bei allen früh ab, ging in die Stadt, um in Plattengeschäften oder Cafés herumzuhängen, manchmal zusammen mit Bassen, manchmal mit einem Mädchen aus meiner Klasse, wenn es sich zufällig ergab und nicht so aufgefasst werden konnte, dass ich mich aufdrängte. Aber bei Bassen war es okay, wir hingen mittlerweile auch so zusammen, ich hatte einen Abend bei ihm verbracht, und wir hatten nichts anderes getan, als in seinem Zimmer Platten zu hören, aber ich freute mich riesig, denn ich hatte einen neuen Freund gefunden. Keinen Bauern, keinen Heavy-Metal-Fan, sondern jemanden, der Talk Talk und U2, die Waterboys und die Talking Heads mochte. Bassen, oder Reid, wie er eigentlich hieß, hatte dunkle Haare, sah gut aus und übte eine einmalige Anziehungskraft auf Mädchen aus, ohne dass ihm dies jemals zu Kopf gestiegen wäre, denn er hatte nichts Angeberisches, nichts Selbstzufriedenes, er nahm nie so viel Raum ein, wie er es hätte tun können, war aber auch nicht bescheiden, seine nachdenkliche und in sich gekehrte Art schien ihn vielmehr immer ein wenig zu bremsen. Er gab niemals alles. Ob es so war, weil er es nicht wollte oder weil er es nicht konnte, weiß ich nicht, aber oft sind dies ja zwei Seiten derselben Medaille. Am auffälligsten an ihm war für mich jedoch, dass er eigene Ansichten entwickelte. Während ich in einem abgesteckten Rahmen dachte, zum Beispiel beim Thema Politik, wo ein Standpunkt automatisch den nächsten gebar, oder in Geschmacksfragen, bei denen die Tatsache, dass man eine Band mochte, zur Folge hatte, bestimmte andere Bands auch zu mögen, die ähnlich klangen, und in Bezug auf Menschen, bei denen es mir nie gelang, mich von den existierenden Haltungen freizumachen, dachte er selbständig, von seinen eigenen, mehr oder weniger idiosynkratischen Einschätzungen ausgehend. Doch auch das war nichts, was er zur Schau stellte, im Gegenteil, man musste ihn schon eine Weile kennen, um es zu merken. Folglich war es nichts, was er benutzte, sondern etwas, das er war. Wenn ich stolz war, Bassen meinen Freund nennen zu dürfen, lag das nicht nur an seinen vielen guten Eigenschaften, lag das nicht nur an der Freundschaft selbst, sondern auch, und nicht zuletzt, an der Vorstellung, dass sein Ansehen bei den anderen mir zugutekommen würde. Eine bewusste Beziehung hatte ich auch dazu nicht, aber rückblickend ist insbesondere das offensichtlich: Ist man ausgeschlossen, muss man jemanden finden, der einen hereinholen kann, zumindest wenn man sechzehn ist. In diesem Fall war ich nicht metaphorisch, sondern buchstäblich und konkret ausgeschlossen. Ich war von Hunderten Jungen und Mädchen in meinem Alter umgeben, fand aber keinen Zugang zu dem Zusammenhang, der für sie galt. Jeden Montag fürchtete ich die Frage, die alle stellten, also: »Was hast

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