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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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setzte mich auf die Couch, schälte eine Orange. Obwohl das Feuer erloschen war, strahlte der Ofen immer noch Wärme ab. Mutter hatte Recht, man war gerne hier. Im Korbsessel hob der Kater schläfrig den Kopf. Als er meinem Blick begegnete, erhob er sich, tapste durchs Zimmer und sprang auf meinen Schoß. Ich legte die Apfelsinenschalen, die er verabscheute, weg.
    »Du kannst hier ruhig ein bisschen liegen bleiben«, sagte ich und streichelte ihn. »Tu das ruhig. Aber nicht die ganze Nacht, hörst du. Ich gehe gleich ins Bett.«
    Während er sich auf mir zusammenkauerte, begann er zu schnurren. Sein Kopf sank langsam herab, ruhte auf einer Pfote, und binnen weniger Sekunden waren die Augen, die er schnurrend zugemacht hatte, im Schlaf geschlossen.
    »Manche haben es einfach drauf«, sagte ich.
    Am nächsten Morgen weckte mich das Radio in der Küche, aber ich blieb liegen und döste weiter, es gab an diesem Tag ohnehin keinen Grund zum Aufstehen, und schlief kurz darauf wieder ein. Als ich das nächste Mal wach wurde, war es halb zwölf. Ich zog mich an und ging hinunter. Mutter saß lesend am Küchentisch und schaute zu mir auf, als ich hereinkam.
    »Hallo«, sagte sie. »War es nett gestern?«
    »Ja«, antwortete ich. »Es hat Spaß gemacht.«
    »Wann bist du nach Hause gekommen?«
    »Gegen halb drei. Jan Vidars Vater hat uns gefahren.«
    Ich setzte mich und machte mir ein Brot mit Leberwurst, schaffte es nach einigen Versuchen, mit der Gabel eine Gewürzgurke aufzuspießen, legte sie auf die Wurst und hob die Teekanne an, um zu prüfen, ob sie leer war.
    »Ist noch was drin?«, sagte Mutter. »Ich kann neuen aufsetzen.«
    »Ein Tässchen ist bestimmt noch drin«, antwortete ich. »Aber er ist vielleicht schon ein bisschen kalt, oder?«
    Mutter stand auf.
    »Setz dich«, sagte ich. »Das kann ich selber tun.«
    »Ach was«, erwiderte sie. »Ich sitze doch direkt neben dem Herd.«
    Sie ließ Wasser in den Topf laufen und stellte ihn auf die Herdplatte, die unmittelbar darauf anfing zu knistern.
    »Was gab es denn zu essen?«, sagte sie.
    »Ein kaltes Büfett«, antwortete ich. »Ich glaube, die Mutter des Mädchens, das die Fete gemacht hat, hatte es vorbereitet. Es gab so … ach, du weißt schon, Krabben und Gemüse in Gelee, durchsichtig …?«
    »Sülze?«, sagte Mutter.
    »Ja, genau, Krabbensülze. Und gewöhnliche Krabben. Und Krebse. Zwei Hummer, es war nicht genug für alle da, aber jeder durfte mal probieren. Und dann noch Schinken und so.«
    »Das hört sich doch gut an«, meinte Mutter.
    »Ja, war es auch«, sagte ich. »Um zwölf sind wir dann zu einer Kreuzung gegangen, an der sich alle getroffen und Raketen abgeschossen haben. Also wir nicht, aber andere.«
    »Hast du jemanden kennen gelernt?«
    Ich zögerte die Antwort hinaus. Nahm mir eine neue Scheibe Brot, sah mich auf dem Tisch nach einem passenden Belag um. Salami mit Mayonnaise, das würde schmecken.
    »Nicht wirklich«, sagte ich. »Ich habe mich eher an die gehalten, die ich schon kannte.«
    Ich sah sie an.
    »Wo ist Papa?«
    »In der Scheune. Er will heute zu Oma fahren. Hast du Lust, mitzukommen?«
    »Nein, eigentlich nicht«, antwortete ich. »Da waren gestern so viele Leute. Ich habe vor allem Lust, allein zu sein. Vielleicht schaue ich später mal bei Per vorbei. Aber das ist alles. Was hast du vor?«
    »Ich weiß es nicht. Vielleicht was lesen. Irgendwann muss ich auch noch packen. Das Flugzeug geht morgen früh.«
    »Stimmt ja«, sage ich. »Wann kommt Yngve?«
    »In ein paar Tagen, glaube ich. Dann seid ihr hier wieder zu zweit, Papa und du.«
    »Ja«, sagte ich. Meine Augen fielen auf den Presskopf, den Großmutter zubereitet hatte. Die nächste Scheibe mit Presskopf, das wäre vielleicht gar nicht so verkehrt, oder? Und dann noch eine mit Lammrolle.
    Eine halbe Stunde später klingelte ich an dem Haus, in dem Per wohnte. Sein Vater öffnete mir. Er schien hinauszuwollen, denn er trug eine grüne gefütterte Militärjacke über einem blauen Trainingsanzug mit glänzendem Stoff, hatte helle Winterschuhe an und hielt eine Hundeleine in der Hand. Der Hund der Familie, ein alter Golden Retriever, schwänzelte zwischen seinen Beinen.
    »Du bist das?«, sagte er. »Frohes neues Jahr!«
    »Frohes neues Jahr«, erwiderte ich.
    »Sie sind im Wohnzimmer«, sagte er. »Geh ruhig rein.«
    Er ging pfeifend an mir vorbei auf den Hof hinaus und zur offen stehenden Garage. Ich streifte die Schuhe ab und ging ins Haus. Es war groß und offen, erst vor

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