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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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ein paar Jahren erbaut, vom Vater selbst, wenn ich es richtig verstanden hatte, und von fast allen Zimmern aus hatte man einen Blick auf den Fluss. Hinter dem Flur lag zunächst die Küche, in der die Mutter arbeitete, die sich mir zuwandte, als ich vorbeiging, lächelte und Hallo sagte, dahinter das Wohnzimmer, in dem Per mit seinem Bruder Tom, seiner Schwester Marit und seinem besten Freund Trygve saß.
    »Was seht ihr euch an?«, sagte ich.
    »Die Kanonen von Navarone«, antwortete Per.
    »Guckt ihr schon lange?«
    »Nein. Eine halbe Stunde. Wir können gerne zurückspulen, wenn du willst.«
    »Zurückspulen?«, sagte Trygve. »Wir haben doch keine Lust, uns den ersten Teil noch einmal anzusehen?«
    »Aber Karl Ove hat ihn doch nicht gesehen«, entgegnete Per. »Das geht schnell.«
    »Schnell? Es dauert immerhin eine halbe Stunde«, sagte Trygve.
    Per ging zum Videorekorder und kniete sich davor.
    »Du kannst das nicht alleine entscheiden«, sagte Tom.
    »Ach ja?«, sagte Per.
    Er drückte auf Stop und anschließend auf Rewind.
    Marit stand auf und ging zu der Teppe, die in die obere Etage führte.
    »Sagt mir Bescheid, wenn wir wieder an derselben Stelle sind«, sagte sie. Per nickte. Es klickte und klackerte ein paarmal in dem Gerät, wobei es einige leise, hydraulische Quietscher von sich gab, bis alles vorbereitet war und das Band anfing, sich mit stetig steigender Geschwindigkeit und Lautstärke rückwärts zu drehen, bis es ein gutes Stück vor dem Ende abbremste und sich am Ende ganz langsam drehte, ähnlich wie ein Flugzeug, könnte man sich denken, das nach seinem rasenden Flug und dem Abbremsen auf der Landebahn einigermaßen ruhig und vorsichtig zum Terminalgebäude rollt.
    »Du warst gestern Abend bestimmt zu Hause bei Mama und Papa, nicht wahr?«, sagte ich und sah Trygve an.
    »Ja?«, erwiderte er. »Und du warst bestimmt aus und hast getrunken?«
    »Ja«, sagte ich. »Ich war aus und habe getrunken. Aber ich wäre gerne zu Hause gewesen. Es gab keine Fete, zu der wir gehen konnten, so dass wir jeder mit einer Tüte Bier in der Hand durch den Sturm gelatscht sind. Bis nach Søm sind wir gegangen. Aber wartet nur. Bald seid ihr an der Reihe, nachts unkoordiniert mit Plastiktüten durch die Gegend zu laufen.«
    »So, so«, sagte Per.
    »Na, das wird ja ein Spaß«, meinte Trygve, als die ersten Bilder des Films auf dem Fernsehbildschirm vor uns auftauchten. Draußen herrschte eine so vollkommene Stille, wie es nur im Winter möglich war. Und obwohl der Himmel grau und bedeckt war, leuchtete die Landschaft weiß und schimmernd. Ich weiß noch, ich dachte, dass ich zu nichts anderem Lust hatte, als genau hier zu sitzen, in einem Neubau, auf einer Scheibe aus Licht mitten im Wald, und so dumm zu sein, wie ich wollte.
    Am nächsten Morgen fuhr Vater meine Mutter zum Flughafen. Als er zurückkam, war der Puffer zwischen uns verschwunden, und wir kehrten augenblicklich zu dem Leben zurück, das wir den ganzen Herbst über geführt hatten. Er verschwand in seiner Wohnung unter der Scheune, ich nahm den Bus zu Jan Vidar, wo wir uns an seinen Verstärker anschlossen und eine Weile spielten, bis wir es leid waren und zum Geschäft latschten, wo sich nichts tat, zurücklatschten und uns im Fernsehen das Skispringen ansahen, Platten hörten, über Mädchen redeten. Gegen fünf fuhr ich mit dem Bus wieder zurück, wo Vater mich in der Tür abfing und fragte, ob er mich eventuell in die Stadt fahren sollte. Das gehe in Ordnung, antwortete ich. Unterwegs schlug er vor, bei Großmutter und Großvater vorbeizuschauen, ich hatte Hunger, wir konnten dort sicher etwas essen.
    Als Vater den Wagen vor der Garage parkte, steckte Großmutter den Kopf zum Fenster hinaus.
    »Ihr seid das!«, sagte sie.
    Eine Minute später schloss sie uns die Haustür auf.
    »Danke für den schönen Abend!«, sagte sie. »Es war wirklich gemütlich bei euch.«
    Sie sah mich an.
    »Und du hattest Spaß, habe ich gehört?«
    »Ja, klar«, sagte ich.
    »Jetzt nimm mich mal in die Arme! Du bist zwar schon groß, aber deine Oma kannst du trotzdem noch umarmen!«
    Ich lehnte mich vor und spürte ihre trockene, faltige Wange an meiner. Sie roch gut, nach dem Parfüm, das sie seit jeher benutzt hatte.
    »Habt ihr schon gegessen?«, sagte Vater.
    »Wir haben gerade gegessen, aber ich kann euch was aufwärmen, kein Problem. Habt ihr Hunger?«
    »Ich denke schon, oder?«, sagte Vater und sah mich mit einem feinen Lächeln auf den Lippen an.
    »Ich habe

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