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Sterben: Roman (German Edition)

Sterben: Roman (German Edition)

Titel: Sterben: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Ove Knausgård
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weil man war, wer man war, sondern wo man war, in diesem Fall in Klasse 1B. Das schmälerte meine Freude jedoch nicht. Eine Fete war nicht nur eine Fete, sondern eine Gelegenheit. Das Problem, alkoholische Getränke zu beschaffen, bestand genauso wie vor Silvester, und ich überlegte kurz, ob ich mal wieder Tom anrufen sollte, kam aber zu dem Schluss, es lieber selbst zu versuchen. Ich mochte zwar erst sechzehn sein, sah aber älter aus, und wenn ich mich zusammenriss, würde wahrscheinlich kein Mensch auf die Idee kommen, mir den Kauf zu verweigern. Und wenn, wäre es zwar peinlich, aber mehr auch nicht, und ich würde Tom immer noch bitten können, die Sache für mich zu regeln. Also ging ich am Mittwoch durch den Supermarkt, legte zwölf Flaschen Pils und als Alibi Brot und Tomaten in meinen Einkaufskorb, reihte mich in die Schlange ein, stellte die Waren auf das Laufband, gab der Kassiererin das Geld, das sie annahm, ohne mich auch nur eines Blickes zu würdigen, woraufhin ich aufgekratzt und mit einer klirrenden Plastiktüte in jeder Hand nach Hause eilte.
    Als ich Freitagnachmittag aus der Schule kam, war Vater in der Wohnung gewesen. Auf dem Tisch lag ein Zettel.
    Karl Ove –
Ich bin an diesem Wochenende auf einem Seminar. Komme Sonntagabend wieder nach Hause. Im Kühlschrank liegen frische Krabben und im Brotkorb Weißbrot. Mach es dir gemütlich!
Papa
    Auf dem Zettel lag ein Fünfhundertkronenschein.
    Oh, das war ja perfekt!
    Krabben waren mein Leibgericht. Ich aß sie abends vor dem Fernseher und machte hinterher einen Spaziergang durch die Stadt, hörte erst Lust for Life mit Iggy Pop und anschließend eines der späten Roxy-Music-Alben auf meinem Walkman, irgendetwas an der Distanz zwischen dem Inneren und dem Äußeren, die dabei entstand, gefiel mir unwahrscheinlich gut; wenn ich die vielen betrunkenen Gesichter sah, die sich vor den Kneipen versammelt hatten, kam es mir vor, als befänden sie sich in einer anderen Dimension als ich, und Gleiches galt für die vorbeifahrenden Autos, die Fahrer, die an den Tankstellen ausstiegen und wieder einstiegen, die Verkäufer, die mit ihrem müden Lächeln und ihren mechanischen Bewegungen hinter den Theken standen, die Männer, die mit ihren Hunden unterwegs waren.
    Am Vormittag des nächsten Tages schaute ich bei Großmutter und Großvater vorbei, aß bei ihnen ein paar Brötchen, ging anschließend in die Stadt, kaufte drei Platten und eine große Tüte Süßigkeiten, ein paar Musikzeitschriften und ein Taschenbuch, Jean Genets Tagebuch eines Diebes . Schaute Fußball und trank dabei zwei Flaschen Bier und eine weitere, während ich duschte und mich umzog, und noch eine beim Rauchen der letzten Zigarette, bevor ich losging.
    Ich hatte mit Bassen verabredet, dass wir uns an der Kreuzung treffen würde, die allgemein Rundingen genannt wurde. Als ich mit der Tüte an meiner Hand bergauf trottete, stand er bereits da und grinste. Er hatte seine Bierflaschen in einem Rucksack verstaut, und als ich das sah, bekam ich große Lust, mir an die Stirn zu schlagen. Natürlich! So machte man das.
    Wir gingen in den Kuholmsveien, am Haus meiner Großeltern vorbei, die Hügel hinauf und in das Wohnviertel in der Gegend um das Stadion, wo Siv wohnte.
    Nachdem wir ein paar Minuten gesucht hatten, fanden wir die richtige Hausnummer und klingelten. Siv öffnete uns die Tür mit einem lauten Kreischen.
    Schon vor dem Aufwachen wusste ich, dass etwas Gutes passiert war. Mir schien, als würde eine Hand zu mir herabgestreckt, dorthin, wo ich auf dem Grund des Bewusstseins lag und über mir ein Bild nach dem anderen vorüberziehen sah. Eine Hand, die ich ergriff und die mich langsam hochzog, ich kam mir selbst immer näher, bis ich die Augen aufschlug.
    Wo war ich?
    Ach ja, das Wohnzimmer in der Wohnung. Ich lag, in voller Montur, auf der Couch.
    Ich setzte mich auf, stützte den pochenden Schädel in die Hände.
    Mein Hemd roch nach Parfüm.
    Ein schwerer, exotischer Duft.
    Ich hatte mit Monika geknutscht. Wir hatten getanzt, wir hatten uns verdrückt, hatten unter einer Treppe gestanden, ich hatte sie geküsst. Sie hatte mich geküsst.
    Aber das war es nicht!
    Ich stand auf und ging in die Küche, ließ Wasser in ein Glas laufen, leerte es in einem Zug.
    Nein, das war es nicht!
    Etwas Fantastisches war passiert, ein Licht war entfacht worden, aber es war nicht Monika gewesen, sondern etwas anderes.
    Aber was?
    Der viele Alkohol hatte ein Defizit in meinem Körper geschaffen,

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