Sterben: Roman (German Edition)
wobei dieser jedoch spürte, was erforderlich war, um es wieder auszugleichen. Hamburger, Pommes frites, Würstchen. Viel Cola. Das war es, was ich brauchte. Und ich brauchte es jetzt.
Ich ging in den Flur und musterte mich im Spiegel, während ich mir mit einer Hand durchs Haar strich. Ich sah gar nicht mal so übel aus, nur die Augen waren ein bisschen rot unterlaufen, so konnte ich mich zeigen.
Ich band die Winterschuhe zu, griff nach meiner Jacke und zog sie an.
Aber was war das.
Ein Button?
Auf dem »Smile!« stand?
Ah, das war es!
Das war das Gute!
Ich hatte mich in der letzten Stunde der Fete mit Hanne unterhalten.
Das war es!
Wir hatten lange miteinander geredet. Sie hatte gelacht und war so fröhlich gewesen. Hatte nichts getrunken. Ich schon, denn dann konnte ich dort sein, wo sie war, im Leichten und Fröhlichen. Danach hatten wir getanzt.
Oh, wir hatten zu Frankie Goes to Hollywood getanzt. The Power of Love.
The POWER of LO - OVE !
Aber Hanne, Hanne.
So ihre Nähe zu spüren. Fast genauso nahe neben ihr zu stehen und zu reden. Ihr Lachen. Ihre grünen Augen. Ihre kleine Nase.
Kurz bevor wir gehen wollten, hatte sie mir den Button angesteckt.
Das war geschehen. Es war nicht viel, aber das wenige, was sich ereignet hatte, war fantastisch.
Ich knöpfte die Jacke zu und ging nach draußen. Die Wolken hingen tief über der Stadt, kalter Wind fegte durch die Straßen und über das Meer. Alles war grau und weiß, kalt und unwirtlich. Aber in meinem Inneren schien die Sonne. The POWER of LO - OVE ! Hörte ich immer und immer wieder, während ich am Fluss entlang zur Imbissbude ging.
Was war eigentlich passiert?
Hanne war doch Hanne, sie hatte sich nicht verändert, sie war dieselbe, die sie den ganzen Herbst und Winter über im Klassenzimmer gewesen war. Ich hatte sie nett gefunden, aber nichts Besonderes für sie empfunden. Und dann jetzt! Und dann das!
Es kam mir vor, als wäre ich vom Blitz getroffen worden. Immer wieder schoss das Glück durch meine Nervenbahnen. Das Herz bebte, die Seele leuchtete. Plötzlich konnte ich nicht mehr bis Montag warten, es nicht erwarten, dass die Schule anfing.
Sollte ich sie anrufen?
Sollte ich sie zu uns einladen?
Geistesabwesend bestellte ich einen Cheeseburger mit Bacon und Pommes frites und eine große Cola. Sie war mit jemandem zusammen, das hatte sie mir erzählt, jemand, der auf dem Gymnasium in Vågsbygd in die dritte Klasse ging. Sie waren schon lange zusammen. Aber so, wie sie mich angesehen hatte, diese Nähe, die plötzlich entstanden war, die musste doch eine Bedeutung haben? Sie musste etwas bedeuten. Sie interessierte sich für mich, sie wollte etwas von mir. So musste es sein.
Am Montag, am Montag würde ich sie wiedersehen.
Aber was zum Teufel sollte ich bis dahin anstellen?
Bis dahin war es noch fast ein ganzer Tag!
Sie lächelte, als sie mich sah. Ich lächelte auch.
»Du hast den Anstecker nicht abgemacht!«, sagte sie.
»Nein«, erwiderte ich. »Ich denke jedesmal an dich, wenn ich ihn sehe.«
Sie sah nach unten. Nestelte an einem Knopf ihrer Jacke herum.
»Du warst ganz schön betrunken«, sagte sie und blickte wieder zu mir hoch.
»Das war ich wohl«, sagte ich. »Ehrlich gesagt, erinnere ich mich nicht mehr an sonderlich viel.«
»Du erinnerst dich nicht?«
»Doch, doch, doch! Ich erinnere mich zum Beispiel an Frankie Goes to Hollywood …«
Im Schulflur näherte sich Tønnessen, der junge Erdkundelehrer mit Bart und Mandal-Dialekt, der unser Klassenlehrer war.
»Na, Kinder, hattet ihr ein schönes Wochenende?«, sagte er und schloss die Tür auf, vor der wir standen.
»Wir waren auf einer Klassenfete«, sagte Hanne und lächelte ihn an.
Was für ein Lächeln sie hatte.
»Aha? Und ich war nicht eingeladen?«, sagte er, ein Kommentar, auf den er keine Antwort erwartete, denn er sah sie nicht an, eilte bloß durch den Raum und zum Lehrerpult an seinem Kopfende, auf dem er seinen kleinen Stapel Bücher ablegte.
Es wollte mir in dieser Schulstunde nicht gelingen, mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Ich dachte nur an Hanne, und das, obwohl sie im selben Zimmer saß wie ich. Aber was hieß hier dachte … Es war eher so, dass ich voller Gefühle war, die für Gedanken keinen Raum ließen. Und so blieb es den ganzen Winter und Frühling. Ich war verliebt, und es war keine dieser flüchtigen Verliebtheiten, es war eine von den großen, von denen es im Leben nur drei oder vier gibt. Es war die erste und weil alles
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