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Sterbensangst (German Edition)

Sterbensangst (German Edition)

Titel: Sterbensangst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mark
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gewaltigen Schluck nimmt.
    McAvoy beobachtet Chandler in der zunehmenden Dunkelheit mit großen Augen und ist seltsam beeindruckt. Die Silhouette des kleinen Mannes verändert sich, während er mit einem langen, knochigen Arm die Flasche an die Lippen setzt.
    »Auf der Website steht, dass sie hier fünftausend pro Woche allein für Unterkunft verlangen«, meint McAvoy kopfschüttelnd. »Gut angelegtes Geld, hm?«
    »Ich weiß nicht, ob es mir mehr Spaß macht, zu trinken oder unartig zu sein«, grinst der andere.
    »Ich nehme nicht an, dass Sie diese Flasche gerade zufällig entdeckt haben?«
    »Mein junger Boxer«, lacht Chandler. »Er kennt Mittel und Wege.«
    »Offensichtlich.«
    Sie unterhalten sich noch zwanzig Minuten lang über Hull. Das Dämmerlicht verfinstert sich zusehends. Die Schneeflocken bleiben eine Weile halbherzig auf dem nassen Kies liegen, bevor sie sich in nichts auflösen. McAvoy fröstelt und steckt die Hände in die Taschen.
    Irgendwann kommt das Gespräch auf Stein zurück.
    »Sie haben mich gar nicht gefragt, warum das CID von Hull sich für Fred interessiert«, sagt McAvoy, während Chandler seine Whiskyflasche bis zur Neige leert. McAvoy konstatiert, dass er ihm keinen Tropfen angeboten hat.
    »Seine Schwester ist mit einem hohen Tier in der Polizeidirektion verbandelt«, meint Chandler und wedelt abschätzig mit der Hand. »Vermutlich tun Sie jemandem einen Gefallen.«
    McAvoy betrachtet seine Füße und wünscht sich, er wäre so gerissen oder gut informiert wie dieser alte Alkoholiker.
    »Was soll ich ihr also sagen?«, fragt er.
    »Sagen Sie ihr, dass Fred ein guter Kerl war. Ein netter Bursche, der voller faszinierender Geschichten steckte. Dass er nichts dagegen hatte, über das zu sprechen, was ihm zugestoßen war, solange er ein Glas Bier in der Hand hielt. Aber er hatte eine Scheißangst davor, mit einem Fernsehteam auf diesem verdammten Riesenfrachter rauszufahren und für die den Affen zu machen.«
    Wieder wird Verärgerung spürbar. Bitterkeit. Man könnte es beinahe Wut nennen.
    »Sie scheinen nicht viel übrigzuhaben für Fernsehjournalismus.«
    »Ach, das ist Ihnen aufgefallen?«, giftet Chandler. Zündet sich seine letzte Zigarette an. »Aasgeier mit Scheckbüchern.«
    »Aber Sie haben auch schon für die gearbeitet«, deutet McAvoy diplomatisch an.
    »Was zum Teufel hätte ich denn tun können? Mir ist ein einziges verdammtes Talent in die Wiege gelegt worden, mein Sohn. Ich kann schreiben. Oder zwei Talente, wenn man dazuzählt, dass ich die Leute zum Reden bringe. Meine Bücher sollten in jedem verdammten Regal in diesem Land stehen. Tun sie aber nicht. Ich wohne in einer billigen Absteige in East Anglia, und selbst wenn ich meinen Führerschein noch hätte, könnte ich mir keinen Wagen leisten. Die paar Tantiemen, die ich von einem Buch bekomme, investiere ich in die Veröffentlichung des nächsten.«
    »Mr Chandler, ich …«
    »Nein, mein Sohn, Sie haben den Nagel auf den Kopf getroffen. Als Schriftsteller bin ich ein Totalversager. Ich habe mehr Absagen von Verlagen bekommen, als ein Mensch ertragen kann. Aber stellen Sie Caroline Wills vor eine Kameralinse und drücken Sie einem alten Knaben einen dicken Scheck in die Hand, und schon haben Sie reines TV-Gold. Meine Arbeit. Meine Idee!«
    McAvoy wedelt besänftigend mit den Händen.
    »Ihre Idee? Ich dachte, Miss Wills hätte zu Ihnen Kontakt aufgenommen …«
    Chandler unterbricht ihn mit einem zornigen Grunzen. »Ich habe verdammt noch mal eine Million Ideen. Ich habe ein ganzes Notizbuch voll damit. Wenn ich genügend Exposés schreibe, wird vielleicht eines Tages sogar ein Verlag interessiert sein. Fred stand auch darin. Es war meine Idee. Ein Buch über Menschen, die überlebt haben. Die Davongekommenen. Die Außenseiter, die verschont wurden, wo alle anderen starben. Ich hatte noch nicht einmal angefangen, nach ihm zu suchen, als die Absagen sich schon auf dem Fußabstreifer stapelten. So ist mein Leben, mein Sohn. Das ist der Grund, warum ich hier bin. Darum bin ich verdammt noch mal hier gelandet!«
    Chandler ist aufgesprungen. In der Dunkelheit sieht McAvoy die glühende Spitze seiner Zigarette, wie sie sich von einer Seite auf die andere, auf und ab bewegt, während er sie zwischen den Lippen herumrollt, wie eine Kuh beim Wiederkäuen.
    »Mr Chandler, beruhigen Sie sich doch bitte …«
    Chandler löscht die Zigarette in seiner Handfläche. Er schiebt den Stummel in die Tasche. »Sind wir jetzt

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