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Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde

Titel: Sterbestunde - Hübner, M: Sterbestunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Hübner
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Fenster schmeiße.«
    »Ach, sind Sie jetzt hier der Klassensprecher, oder was?«
    Dennis trat drohend einen Schritt vor.
    »Schon gut, schon gut«, beschwichtigte Koschny. »Ich beuge mich der Staatsgewalt. Aber das ändert nichts daran, dass in diesem Fall nicht nur die Leichen zum Himmel stinken. Ich bleibe an der Sache dran.«
    »Ja«, knurrte Dennis, kaum dass Koschny verschwunden war, »das ist zu befürchten.«
    »Könnte mir mal jemand erklären, was hier eben los war?«, fragte King.
    »Falls du Sven meinst, da bin ich auch überfragt.« Dennis rieb sich den verspannten Nacken. »Ich glaube, langsam wächst ihm das alles über den Kopf. Ich mache mir wirklich Sorgen um ihn.«
    »Wer war dieser Kerl?«
    »Koschny. Der Inbegriff von Sensations- und Scheckbuch-Journalismus.«
    »Er hat jemanden namens Heibel erwähnt. Der Name kommt mir bekannt vor.«
    »Kein Wunder. Koschny hat ja auch alles Menschenmögliche getan, um ihn publik zu machen.« Dennis stieß einen langen Seufzer aus. »Kannst du dich noch an die Morde vor zwei Jahren erinnern? Die Kinder, die im Wald gefunden worden sind?«
    »Nein. Du weißt doch, Wolfgang und ich sind erst seit achtzehn Monaten bei der Kripo.«
    »Ach ja, richtig. Aber du hast doch bestimmt was darüber gelesen. Es gab damals keine Zeitung hier, die nicht darüber berichtet hat. Zwei Mädchenleichen wurden in einem Waldstück vergraben gefunden. Beide waren vor ihrem Tod missbraucht und anschließend erdrosselt worden. Die Jüngere war gerade sechs Jahre alt.«
    »Ja, jetzt erinnere ich mich«, sagte King betroffen. »Heibel war damals der Hauptverdächtige.«
    Dennis nickte. »Er besaß zusammen mit seinem Bruder einen heruntergekommenen Hof hier in der Gegend, hat sich aber oft bei den Wohngebieten herumgetrieben und wurde immer wieder dabei beobachtet, wie er auf der Straße Kinder angesprochen hat. Wir hatten die Aussagen einer Kindergärtnerin und einiger Anwohner, konnten ihm aber nichts Konkretes nachweisen. Also hat Sven beschlossen, auf eigene Faust zu handeln, und ihn kurz danach unter einem fingierten Vorwand festgenommen.«
    King stieß einen leisen Pfiff aus. »Ziemlich riskant«, meinte er. »Wie hat Heibel reagiert?«
    »Ehrlich gesagt völlig anders, als wir gedacht hatten«, erwiderte Dennis. »Bei seiner Verhaftung vor dem Kindergarten wirkte er noch relativ ruhig. Aber als wir ihn auf der Dienststelle vernehmen wollten, ist er völlig ausgeflippt. Hat geschrien und um sich geschlagen. Außerdem schien er plötzlich total verwirrt zu sein. Als wir ihn auf seine ständigen Kontakte zu den Kindern ansprachen und nach dem Grund dafür fragten, gab er an, er wüsste es nicht mehr. Er hat uns einen falschen Namen genannt, und als wir nach seinem Wohnort gefragt haben, hat er nur gesagt: ›Mond .‹«
    Dennis und King traten auf den Flur hinaus, als der Arzt eintraf, um die Leichen zu begutachten und die Totenscheine auszustellen.
    »Als Heibel sich etwas beruhigt hatte«, fuhr Dennis fort, »schien er wieder völlig normal zu sein. Auf sein merkwürdiges Verhalten angesprochen, gab er an, sich an nichts mehr erinnern zu können. Zunächst dachten wir, er will uns verschaukeln und will auf unzurechnungsfähig machen. Aber dann hat sich sein Bruder gemeldet und uns erklärt, Heibel sei als Kind durch einen Zeckenbiss an Hirnhautentzündung erkrankt und hätte nur knapp überlebt. Seine geistigen Fähigkeiten wären seitdem eingeschränkt. Die meiste Zeit würde er zwar relativ normal wirken, aber trotzdem leide er an einer psychogenen Verhaltensstörung, die durch stressige oder traumatische Situationen zu vorübergehender Verwirrtheit und zu Gedächtnisverlust führen kann.«
    King schüttelte den Kopf. »Was es nicht alles gibt.«
    »Ja«, meinte Dennis und betrachtete Kings skeptische Miene, »so ähnlich müssen wir auch dreingeschaut haben, als sein Arzt das bestätigt hat. Also haben wir Heibel nicht weiter unter Druck gesetzt und stattdessen einen Psychologen hinzugezogen. Dem gelang es zunächst auch, zu ihm durchzudringen. Aber als er ihm die Fotos der Opfer unter die Nase gehalten hat, fing Heibel an zu flennen wie ein kleines Kind. Dann ist seine Stimmung plötzlich wieder umgeschlagen, und er hat die Fotos zerrissen. Danach ist er aufgesprungen, hat laut ›Rot‹ geschrien und ist auf den Psychologen losgegangen. Sven und ich hatten Mühe, ihn wieder zu beruhigen. Aufgrund des psychologischen Gutachtens wurde schließlich Haftbefehl gegen ihn erlassen.

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