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Stern auf Nullkurs (1979)

Stern auf Nullkurs (1979)

Titel: Stern auf Nullkurs (1979) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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versetzen, und es war doch offensichtlich, daß er auch nicht ein Quentchen von dem empfinden konnte, was sich in William Randolph abspielte. Was wußten sie schon von ihm, diese Menschen in den weißen Kitteln? Was wußten sie überhaupt? Daß sie eine Leiche zum Leben erweckt hatten und daß sie nun die Reste eines Menschen am Leben erhielten. Was war er für sie anderes als der Beweis ihres medizinischen Könnens? Ein Versuchsobjekt, an dem man ermittelt, wie lange der Mensch...
    „Was ist das für ein Leben?" Seine ganze Verzweiflung schrie er hinaus. „Ohne Arme, ohne Beine, ohne Hände..." 
    „Halt!" unterbrach der Arzt. Auch seine Stimme war lauter geworden. „Der Kopf ist dir geblieben. Verwende ihn endlich zum Denken. Um Mensch zu werden, brauchten wir die Hände, zugegeben. Um Mensch zu bleiben, sind Kopf und Hirn wesentlich wichtiger. Und beides hast du noch. Begreif das endlich!" Damit ging er. Zornrot im Gesicht. 
    Später kehrte die Schwester zurück. Randolph schlürfte die gelbliche Brühe. Mit Widerwillen zwar, aber er sträubte sich nicht mehr. Die Wärme tat ihm gut. Nach der Mahlzeit schlief er zum erstenmal nach dem Unfall tief und traumlos.
    Gegen Abend kam der Arzt erneut zu ihm. In letzter Zeit war es sehr selten geschehen, daß er zweimal am Tage nach ihm sah, und William Randolph spürte beinahe Schadenfreude, daß er imstande war, seine Umgebung in Unruhe zu versetzen.
    Der Arzt zog sich einen Stuhl heran und setzte sich rittlings. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck, als wolle er sagen: „Na bitte, es geht uns bereits besser, wir haben gegessen, wir haben geschlafen, jetzt werden wir keine Schwierigkeiten mehr machen."
    Aber er sagte zunächst gar nichts, er beobachtete. Seine Augen mit den blitzenden Haftschalen wanderten zwischen William Randolph und der Maschine hin und her. Ab und zu nickte er in Gedanken. „Wir sollten uns unterhalten, William", schlug er schließlich vor. 
    „Worüber, Doktor?" 
    „Über dich, Pilot."
    Weshalb bezeichnete er ihn als Piloten? Er mußte doch am besten wissen, daß dieses Kapitel seines Lebens ein für allemal abgeschlossen war. Aber dieser Arzt, das glaubte William sicher zu wissen, tat nichts ohne triftigen Grund. Und da er ihm eigentlich keine Bosheit zutrauen mochte, ordnete Randolph die Bezeichnung „Pilot" als psychologischen Kniff ein. Es galt also, auf der Hut zu sein. 
    „Gut!" stimmte er zu. „Unterhalten wir uns." Er nahm sich vor, auf jedes Wort, ja auf jede Nuance in der Stimme des anderen zu achten. Er würde sich nicht überrumpeln lassen. Sein Leben gehörte ausschließlich ihm selber. Wenn er den Tod wünschte, konnte niemand ihn hindern, danach zu suchen. Und er würde ihn finden. Morgen, übermorgen oder irgendwann.
    „Ich will nicht, daß du ständig daran denkst aufzugeben, Willie. Ich will, daß du am Leben hängst wie jeder andere auch. Ich will in dir die Gewißheit wecken, daß es Sinn hat, alles zu versuchen, solange noch eine Chance besteht."
    „Du sagst es, Doktor! Solange noch eine Chance besteht."
    „... solange nicht mit absoluter Gewißheit alles verloren ist, Willie."
    „Ist es das nicht?"
    Der Arzt schüttelte den Kopf. „Das ist es nie! Dem menschlichen Willen ist nichts unmöglich. Was denkbar ist, ist auch durchführbar, heute, morgen oder übermorgen. Das mußt du dir immer wieder vor Augen halten. Wir, die Ärzte, brauchen deinen Lebenswillen, William Randolph."
    „Wem nützt es schon, daß ich noch lebe? Ein Objekt wie ich." 
    „Unsinn!" erwiderte der Arzt abwehrend. „Objekt! Das solltest du dir nicht einreden. Du bist für uns ein Patient wie jeder andere. Zugegeben, du bist ein schwieriger Fall", er lächelte, „aber kein Sonderfall. Du mußt uns helfen, mußt den Willen haben, wieder gesund zu werden. Dann kannst du in vielleicht ein oder zwei Jahren wieder in deiner Maschine sitzen."
    Zuerst hielt Randolph das für einen Witz. Für keinen guten zwar, aber immerhin schien sich der Arzt Mühe zu geben, ihn aufzuheitern. Erst dessen ernstes Gesicht machte ihn nachdenklich. „Das solltest du vor Zeugen wiederholen, Doktor", entgegnete er. 
    „Ich habe das ganz im Ernst gesagt", beteuerte der Arzt. „Ich will nicht behaupten, daß wir dir sämtliche Körperfunktionen zurückgeben könnten, William. Aber ich bin absolut sicher, daß du deinen Beruf wieder ausüben kannst. Und hundert andere auch."
    Noch war Randolph nicht imstande, das Gehörte zu verarbeiten, viel weniger, daran zu

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