Stern auf Nullkurs (1979)
kann aus den Fugen geraten."
Der Schmächtige mußte es eigentlich wissen, er trug das Emblem der Gravitroniker am Arm.
Trotzdem winkte Pela ab. „Ihr tut, als gäbe es keinen Ausweg mehr", sagte sie. „Als handele es sich nicht um Hypothesen, sondern um bereits bewiesene Tatsachen. Aber noch ist doch alles ungewiß."
„Aber das sind Tatsachen", begehrte der Schmächtige auf. „Eindeutig!"
„Und weshalb erkennt Dyson sie nicht an? Weshalb ist der Kurs des Dunklen noch immer nicht offiziell bekanntgegeben? Weshalb spricht Dyson von Gerüchten?"
„Dyson, Dyson! Atto ist Astronom. Für ihn gilt nur, was er mit absoluter Sicherheit weiß. Erst wenn alle Daten auf den Nullkurs, den Kollisionskurs, hinweisen, wird er anerkennen, daß sich die Erde in Gefahr befindet."
„Ich sagte ja schon, bisher ist nichts sicher, nicht einmal die Flugbahn."
Von mehreren Seiten redeten sie auf Pela ein, versuchten ihr gestenreich zu verdeutlichen, in welcher Gefahr sich das Sonnensystem befände, aber Pela blieb skeptisch.
Die Diskussion wurde erregter, die Stimmen nahmen an Lautstärke zu. Kalo konnte sich des Gefühls nicht erwehren, Pela wolle provozieren, fordere absichtlich heraus, um möglichst viel zu erfahren. Das beeindruckte ihn.
„Du bist nicht anders als Dyson", hörte er Tonder knurren. „Ihr werdet erst dann hellhörig, wenn es bereits geknallt hat. Für euch zählen nur vollendete Tatsachen. So war es immer in der Menschheitsgeschichte. Stets mußte erst ein Unheil geschehen, ehe man Schritte unternahm. Ihr lauft mit geschlossenen Augen durch das Leben."
Der Pilot blickte sich im Kreise um, hier und da nickte jemand beifällig.
„Wie weit ist der Dunkle noch von der Plutobahn entfernt?" erkundigte sich Kalo.
Sie wandten ihm ihre Gesichter zu. Er sah hochgezogene Brauen und forschende Blicke. Noch hatten sie keine Ahnung, auf wessen Seite er stand.
„Etwa vierhundertfünfzig AE", sagte schließlich einer der Astrophysiker.
„Und wie hoch ist seine Geschwindigkeit?"
„In etwa neunzig Tagen wird er unsere Umlaufbahn erreichen."
„Seine Bahnkurve ist exakt berechnet, sagtet ihr." Spätestens da wußten sie, auf wessen Seite er stand. Aus der Fragestellung konnten sie es unschwer folgern. Ihre Gesichter wurden abweisend.
„Exakt, exakt!" höhnte Tonder. „Was ist schon exakt, he? Eine Frage des zulässigen Fehlers, nichts weiter. Das, was wir über den Unheimlichen wissen, reicht aus, um mit dem Schlimmsten zu rechnen."
Tonders Stimme verriet mühsam zurückgehaltenen Zorn, aber Kalo glaubte ihn gut genug zu kennen, um zu wissen, daß dieser Zorn nicht lange anhalten würde. „Es hat keinen Sinn, schon jetzt verrückt...", sagte er, aber weiter kam er nicht.
„Hier spielt niemand verrückt", zischte Tonder. „Hier ist nur jemand, der es nicht ertragen kann, wenn Verantwortliche Tatsachen ignorieren."
Offensichtlich hatte Kalo den Piloten doch ein wenig falsch eingeschätzt. In der Gesellschaft Gleichgesinnter dachte der nicht daran nachzugeben.
Kalo faßte nach Pelas Arm. „Laß uns gehen!" sagte er.
Sie blickte ihn forschend an, ein verstecktes Lächeln in den Mundwinkeln. Langsam machte sie ihren Arm frei. „Weshalb, Kalo?" fragte sie. „Willst du schon aufgeben? Mir gefällt das hier."
Ihr Lächeln mißfiel ihm. So lauschte er den weiteren Argumenten schweigend, nur ab und zu reagierte er mit einem zustimmenden Nicken, mit einem Kopf schütteln. Pela beobachtete ihn immer häufiger aus den Augenwinkeln, er merkte es wohl, und ihm schien, sie beginne sich Gedanken über sein abwägendes Schweigen zu machen, beginne ihn zu verstehen. Auch sie wurde zusehends schweigsamer. Zum erstenmal war etwas Gemeinsames zwischen ihnen, etwas was wachsen konnte und was wirklich wuchs.
Und wie es in jeder, selbst in der hitzigsten Diskussion zu gehen pflegt, wenn die Entgegnungen ausbleiben, klingen auch die Argumente der Gegner nicht mehr zwingend.
Schließlich schwiegen auch die, die vorher noch am heftigsten debattiert hatten.
Viel weiter als damals sind sie auch heute noch nicht in ihren Erkenntnissen. Was wissen sie denn wirklich von diesem Stern, der sich aus der Tiefe des unbekannten Kosmos nähert - und der Gerüchte provoziert und Ängste?
Daß er das irdische Sonnensystem zumindest tangieren wird, daß er, sollte er in das System eindringen, eine um so größere Katastrophe verursachen wird, je weiter er sich der Sonne nähert, daß er im Extremfall das gesamte
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