Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
nach.
Woolf schien mit einem Schlag in seinem Sessel zu schrumpfen. Sein Gesicht wurde grau, die Augen wurden so dunkel und leer wie Brunnenschächte. »Ich weiß, wie es in einem Kloster zugeht, mein Lieber. Ich weiß mehr darüber, als ich je wissen wollte. Und du tust gut daran, nicht mit mir darüber zu streiten.«
Carpenter grinste noch immer. »Jetzt mach dir mal nicht gleich ins Hemd. Du tust ja gerade so, als hättest du selbst in einem Kloster die schrecklichsten Dinge erlitten.«
Rick Woolf fixierte Carpenter mit einem Blick, der den Dicken tief in den Sessel drückte. »Ist ja schon gut, ist ja schon gut«, winselte Carpenter. »Ich hab’s nicht so gemeint.«
Woolf ließ seinen Blick nicht von ihm, dann hob er einen Finger, zeigte auf Carpenters Brust und sagte langsam und mit einem gefährlichen Zischen: »Sprich. Nie. Wieder. In. Meiner. Gegenwart. Über. Ein. Kloster.« Er funkelte Carpenter noch einmal wütend an, dann griff er zu der Zeitung, die auf dem Tisch lag. Er las zerstreut, doch dann ließ er die Zeitung sinken. »Das glaube ich nicht«, stieß er hervor und lachte ein schepperndes Lachen. »Das gibt es doch gar nicht. Diese Leute sind wie Katzen. Sie haben sieben Leben!«
»Was ist denn los?«, fragte Carpenter, der eigentlich beleidigt sein wollte, doch nun ließ ihn die Neugier seine Kränkung vergessen.
»Hier!« Woolf reichte die Zeitung über den Tisch. »Lies selbst.«
Carpenter griff nach dem Blatt und las laut vor: »Dringend gesucht. Folgende Personen werden gebeten, sich bitte umgehend bei Hermann Pescador in Havanna zu melden: Titine Pescador, Mafalda Pescador und der ehemalige Sklave Fela.
Ich, Hermann Pescador, möchte mich schon jetzt in aller Öffentlichkeit bei den oben gesuchten Personen entschuldigen. Der Aufruf soll dazu dienen, Menschen, die sich lieben und getrennt worden sind, wieder zu vereinen.
Wer Hinweise zum Aufenthalt von Titine und Mafalda Pescador sowie zu Fela machen kann, erhält eine Belohnung.«
Carpenter legte die Zeitung auf den Tisch und starrte mit großen Augen auf die Anzeige, die eine halbe Seite einnahm. »Das ist ja beinahe schon romantisch. Irgendwie rührend, oder?«
»Quatsch! Rührend! Dass ich nicht lache. Da pfeift jemand auf dem letzten Loch und greift noch zu den allerniedrigsten Mitteln.«
Carpenter lehnte sich zurück. »Na, wenn du das so siehst, dann hast du dein Ziel ja endgültig erreicht. Alle Fischers sind miteinander zerstritten, haben kein Geld und keinen Einfluss, keine Familie und wahrscheinlich auch keine Freunde mehr. Wenn ich mir vorstelle, dass mir das passiert, ich glaube, ich würde mir das Leben nehmen. Was willst du mehr, Rick?«
Der Amerikaner lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander, so dass der rechte Knöchel auf dem linken Knie zu liegen kam. Er betrachtete angelegentlich seinen Schuh, strich ein unsichtbares Stäubchen davon weg. »Ja, man könnte sagen, dass ich erreicht habe, was ich erreichen wollte. Aber es fühlt sich irgendwie nicht wie ein Sieg an. Noch ist nicht aller Tage Abend, noch sind die Fischers nicht vor mir auf den Knien gekrochen.«
Carpenter schluckte und räusperte sich, als wäre seine Kehle staubtrocken. »Es reicht, Rick. Du hast meiner Meinung nach jetzt schon viel zu viel Zeit und Energie auf die Fischers verschwendet. Lass uns nach New York zurückkehren. Dort warten die Geschäfte, der Whiskey, die Frauen. Lass es gut sein.«
Woolf sprang auf. Seine Augen funkelten wie Schlangenaugen. »Ich bestimme, wann es genug ist, hast du mich verstanden? Und ich finde, dass es noch nicht reicht. Ich werde sie vernichten. So, wie sie mich vernichtet haben!«
Überrascht blickte Carpenter auf. »Wie sie dich vernichtet haben?«, fragte er und rutschte in seinem Sessel hin und her. »Was, in aller Welt, können die Fischers dir denn angetan haben?«
Er beugte sich vor, seine kleinen, rotgeränderten Schweinsäuglein blitzten vor Aufregung, aber Rick Woolf hatte sich schon wieder beruhigt. »Nichts haben sie mir angetan. Es ist alles in Ordnung. Kümmer dich lieber um deinen Kram. Und was New York angeht: Vielleicht hast du recht. Vielleicht sollten wir erst einmal wieder nach Hause fahren. Wenigstens über Weihnachten. Ich glaube, diese Hitze hier bekommt mir auf Dauer nicht. Die seltsamsten Gedanken gehen mir im Kopf herum.«
Sechsundzwanzigstes Kapitel
C esare klopfte an die Tür, als stünde das Haus in Flammen.
»Was ist denn los?«, fragte Grazia, nachdem sie ihm
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