Sterne der Karibik: Roman (German Edition)
Mafalda.
»Vergeben und vergessen«, erwiderte Titine. »Weißt du, auf der Pilgerreise hatte ich genügend Zeit zum Nachdenken. Auch ich habe Fehler gemacht. Damit meine ich nicht Fela. Ich habe ihn immer geliebt, liebe ihn jetzt mehr denn je, und die Sehnsucht nach ihm zerreißt mir das Herz. Doch ich ließ es zu, dass Hermann für mich sorgte. Hermann und natürlich auch du, Mafalda. Ihr habt mir stets geholfen. Mit allen Sorgen konnte ich zu euch kommen. Ich war schwach, unselbständig und gab mich hilflos. Ich ließ zu, dass ihr so viele Entscheidungen für mich getroffen habt. Versäumt habe ich auch, über meine Gefühle zu sprechen. Wie konntet ihr wissen, was für mich gut und richtig ist, wenn ich euch über meine Wünsche im Unklaren gelassen habe? Nein, Mafalda, ich habe dir nichts zu verzeihen.« Noch einmal zog sie die Schwägerin an sich und drückte sie herzlich und warm.
In Mafaldas Herz blühte das Glück. Sie war so froh, dass Titine ihr verziehen hatte, jetzt, da alles ausgesprochen war, dass sie diesen Augenblick der Ruhe und des Friedens um keinen Preis gefährden wollte.
Etwas aber gab es noch, das Mafalda auf der Seele lag. Etwas, über das Titine nicht mit einer Umarmung hinweggehen konnte, doch dieses Etwas musste warten.
»Sag«, bat Mafalda leise. »Kann ich ein wenig bei euch bleiben? Ich weiß sonst nicht, wohin.« Und dann berichtete sie Titine, was alles vorgefallen war, angefangen von Hermanns Schlaganfall, dem Bankrott der Rummanufaktur bis hin zu der Nacht mit dem Amerikaner.
Und Titine lauschte aufmerksam, unterbrach Mafalda nicht, nahm nur hin und wieder ihre Hand und streichelte sie. Als Mafalda zum Ende gelangt war, sprach sie: »Selbstverständlich kannst du bei uns bleiben, so lange du willst. Aber ich habe während meiner Pilgerei so viel nachgedacht und neue Entschlüsse gefasst. Mein Leben soll so nicht weitergehen. Ich werde Fela suchen, werde …« Sie stockte und schluckte, ehe sie weiterredete: »… ich werde wohl auch Hermann aufsuchen. Er ist mein Bruder, und ich habe ihn sehr vermisst.«
Sie legte den Arm um die Schulter der Schwägerin und drückte sie leicht an sich. »Ich kann verstehen, dass du jetzt noch verletzt bist, aber eines Tages musst du dich den Dingen stellen. Man kann nicht davonlaufen, am wenigsten vor sich selbst.«
Und Mafalda nickte, weil sie wusste, dass Titine nur allzu recht hatte, doch noch fehlten ihr die Kraft und der Mut.
Fünfundzwanzigstes Kapitel
W o ist sie hin?« Die Stimme von Rick Woolf klang schrill und gellte Carpenter in den Ohren.
»Woher soll ich das wissen?«, fragte der gleichgültig und säuberte dabei seinen linken Daumennagel. »Sie ist weg, ist entehrt, zerstört. Was willst du noch? Vielleicht hat sie sich umgebracht oder ist in ein Kloster gegangen.«
»In ein Kloster?« Rick Woolf wurde blass. Seine Kiefer mahlten, und Carpenter sah, dass er seine Zähne so fest aufeinanderbiss, dass das Kinn ganz angespannt war.
»Ja, in ein Kloster. Natürlich. Was, in aller Welt, erschreckt dich daran so?«
Rick Woolf ließ sich in einen Sessel fallen. Seine Blicke huschten aufgeschreckt durch das Hotelzimmer. Das große Doppelbett war zerwühlt, und ein zerrissenes seidenes Nachthemd zeugte davon, dass der Amerikaner die Nacht nicht allein verbracht hatte. Vor dem Bett knüllten sich maßgeschneiderte Hemden übereinander. Schuhe lagen einzeln daneben, eine Socke hing über dem Lampenschirm. Auf dem Tisch, der sich neben dem Sessel befand, standen zwei leere Champagnerflaschen und eine Flasche Rum, noch zu einem Viertel gefüllt. Der Aschenbecher quoll über von Zigarren und Zigarettenstummeln, und im ganzen Raum herrschte stickige Luft, gefüllt noch mit den Aromen der Nacht.
»Hörst du mir überhaupt zu? Hey!« Carpenter klopfte mit der flachen Hand auf den Tisch.
»Was?« Rick Woolf blickte Carpenter an, ohne ihn zu sehen.
»Ich wollte wissen, was an einem Kloster so furchtbar wäre. Ich stelle mir das jedenfalls traumhaft vor. Umgeben von lauter keuschen Jungfrauen, die wunderbare Lieder singen, keine Widerworte geben und sich ansonsten um das Seelenheil sorgen, ich sage dir, ich würde auf der Stelle eine Nonne heiraten. Vorausgesetzt, sie ist jung und knackig.«
»Halt die Schnauze!«, schrie Rick Woolf so laut, dass Carpenter das Lachen im Hals stecken blieb. »Du hast ja keine Ahnung, wovon du da redest.«
Carpenter ließ sich von Rick Woolf nicht einschüchtern. »Aber du, was?«, fragte er giftig
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