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Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Titel: Sterne der Karibik: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrice Fabregas
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die Eingangstreppe eines Hauses scheuerte, vorbei auch an den schmutzigen Kindern, die im Rinnstein hockten. Sein Haar war noch immer grau vom Staub der Felder, die Kleider verknittert, einzig der akribisch gestutzte Schnurrbart wippte im Takt seiner raschen Schritte.
    Am Rande der Plaza entdeckte er seinen Freund Andreas Winkler. »Warst du heute bei uns?«, fragte Hermann, und sein Herz schlug rasend schnell.
    Dr. Winkler nickte.
    »Und?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Ich kann es dir nicht sagen. Arztgeheimnis.«
    »Also stimmt es?«
    »Was?«
    »Dass Titine ein Kind erwartet?«
    »Rede mit ihr, nicht mit mir«, schloss der Arzt die Frage ab. »Im Übrigen ist jetzt nicht die beste Zeit für Derartiges.« Er deutete mit dem Finger auf die Menschenmenge, die sich auf der Plaza versammelt hatte.
    »Was ist hier los?«, wollte Hermann wissen. »Der alte Kutscher hat getan, als würde die Welt sogleich untergehen.«
    Dr. Winkler nickte. »In gewissem Sinne tut sie das wohl auch.«
    »Also?«
    »Don Ramos, dessen Ingenio nach deinem der zweitgrößte hier ist, meint, er müsse den schlechten Nachrichten von Erhebungen in der Gegend von Manzanillo einen Riegel vorschieben, indem er ein Exempel statuiert.«
    »Was hat er vor?«
    »Er hat einen seiner Neger dabei erwischt, wie er die Klinge seiner Machete an einem Stein schärfte.«
    »Na und? Das machen sie doch alle. Das müssen sie sogar. Sie können doch nicht jedes Mal, wenn die Klinge sich ein wenig abnutzt, in die Schmiede gelaufen kommen.«
    »Er will den Neger öffentlich auspeitschen und dann aufhängen.« Dr. Winkler packte seinen Freund am Kragen. »Hör zu, Hermann, du musst das verhindern. Unbedingt. Wenn der erste Sklaven hängt, hast du auch hier Unruhen und Erhebungen. Rette diesen armen Nigger, dann rettest du womöglich die eigene Plantage.«
    Hermann machte sich los. »So schlimm wird es nicht kommen«, erwiderte er, doch seine Kiefer mahlten aufeinander, kalte Furcht ließ ihn erschauern. Dann bahnte er sich mit Hilfe seiner Ellbogen einen Weg durch die Menschenmenge. Nicht nur die Weißen und Kreolen hatten sich auf der Plaza versammelt, auch viele schwarze Haussklaven, Bauern, Tagelöhner, Handwerker, zwei Priester, einige Nonnen des nahen Klosters und freigelassene Sklaven waren unter ihnen. Ihre Gesichter waren verschlossen, doch in ihren gelblichen Augäpfeln glomm ein Feuer, genährt von jahrelanger Wut und Hass.
    Hermann erschrak, als er diese Gesichter sah. Er hatte plötzlich Angst um sein Leben, um das Leben seiner Frau, seiner Schwester. Er konnte die flammende Empörung der Schwarzen beinahe riechen, und er wusste, dass es nur einen winzigen Funken brauchte, um die Wut in Brand zu setzen.
    Doch er selbst war ebenfalls voller Wut. Nicht mehr nur auf Richard. Denn wenn es stimmte, dass Titine schwanger war, dann blieb ihm nur noch die törichte Hoffnung, dass sie womöglich einen weißen Liebsten gefunden hatte, von dem er nichts wusste, den sie aber heiraten konnte. Er hatte geschworen, sie glücklich zu machen. Er hatte Schuld auf sich geladen, damals, bei dem Brand, bei dem ihre Eltern ums Leben gekommen waren und der Titine die Sprache genommen hatte. Es war seine Schuld gewesen, damals. Und er hatte sich geschworen, alles zu tun, um Titine glücklich zu machen. Und nun war sie schwanger. Grundgütiger Gott, was sollte er nur tun, wenn kein Weißer der Vater war? Er stürmte vorwärts, stieß die Leute grob zur Seite, trat sogar nach einem Hund und hatte sich endlich zu Don Ramos vorgekämpft, der wutschnaubend mitten auf dem Platz stand, zu seinen Füßen einen geschundenen, aus zahlreichen Wunden blutenden Schwarzen.
    Don Ramos war ein Spanier, der seit seiner Kindheit in Trinidad lebte und der die Zuckerrohrplantage von seinem Vater übernommen hatte. Er war klein, aber von mächtiger Gestalt. Es hieß von ihm, er könne mit bloßen Händen eine Kuh umwerfen. Er hatte einen kürbisartigen Schädel, vollkommen kahl, der in der Sonne wie ein Ferkel glänzte. Seine buschigen Augenbrauen waren drohend zusammengezogen und verengten die dunklen Augen zu Schlitzen. Don Ramos schnaufte, sein Gesicht war dunkelrot angelaufen, der Mund vor Abscheu verzogen, so dass die Lücken in der oberen Zahnreihe sichtbar wurden. Er trug Stiefel mit Sporen und trat damit immer wieder dem auf dem Boden liegenden Sklaven in die Seite. »Du Schwein!«, brüllte er dabei und ließ meterweit Spucketröpfchen fliegen. Der Sklave heulte auf, versuchte

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