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Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Titel: Sterne der Karibik: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrice Fabregas
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hatte Hermann mit den Tränen zu kämpfen. Ein guter Mensch. Früher, als die Eltern noch lebten, war es ihm als höchstes Ziel erschienen, ein guter Mensch zu sein. Die Erinnerung daran brannte in seinem Herzen, machte die Kehle rauh, den Mund trocken. Ein guter Mensch. Das galt. Das war viel. Das war mehr als genug. Und jetzt? Was war jetzt mit ihm? War ihm nicht nur die Lebensfreude, sondern auch das Ziel abhandengekommen? War er am Ende ärmer als jeder dieser elenden Sklaven, die wenigstens noch Wünsche hatten? Keine großen. Nur ein wenig mehr Schlaf, weniger Arbeit und als großes, weit entferntes Ziel, das man nicht benennen, von dem man nur träumen konnte: Freiheit.

Sechstes Kapitel
    F ela hatte geahnt, dass Don Hermann heute zu den Weiden kommen würde. Obwohl die meisten Sklaven ungebildet waren, verbreiteten sich die Nachrichten in Windeseile über die Insel. Und natürlich hatte Fela vom Grito de Yara , vom Schrei von Yara, der das Signal zum Beginn des Aufstandes war, gehört. Am frühen Morgen waren sie gekommen, die Kameraden aus den Bergen. Geflohene Sklaven und Cimarrones, Menschen, die in den Wäldern lebten, die nichts mehr ersehnten als Freiheit. Sie hatten berichtet, was sich auf dem Ingenio von Don Céspedes zugetragen hatte. Fela wusste nicht genau, wie weit Manzanillo von Trinidad entfernt war. Vier- oder fünfhundert Meilen? Und er fand es sehr verwegen, dass Céspedes mit nur siebenunddreißig Verbündeten gegen die spanische Kolonialmacht losgeschlagen hatte. Aber irgendjemand musste den Anfang ja machen.
    Er stand am Rande der Weide und zählte das Vieh. Es gab zwölf Pferde, vierzig Zugochsen, dazu zwei Dutzend Maultiere und zehn Esel. Viel zu wenig, um damit wirklich etwas anfangen zu können.
    »¡Buenos días, Compañero!«
    Fela schrak zusammen. Der Schmied aus dem Gerätehaus, den alle nach seinem Beruf Herrero nannten, stützte die Arme auf den Weidenzaun. Er sah sich nach allen Seiten um, dann raunte er: »Ich habe ein gutes Dutzend Messer und ein paar Macheten.«
    Fela lächelte. »Du denkst, das reicht?«
    Herrero zuckte mit den Schultern. »Natürlich reicht es nicht. Aber wir sind viele.«
    »Was nützen viele, wenn die vielen zu wenige Waffen haben?«
    Herrero drehte sich um, so dass er den Weidenzaun im Rücken hatte. »Das wird deine Aufgabe sein. Du bist der Einzige, der Zutritt zum Herrenhaus hat. Besorg uns die Waffen.«
    Fela seufzte und schwieg.
    »Hat dir die weiße Doña den Kopf verdreht? Oder hat sie dich gar verhext?«, wollte Herrero wissen und betrachtete Fela argwöhnisch. »Es heißt von ihr, sie sei die Tochter Yewas.« Sein Körper straffte sich, er reckte das Kinn nach vorn. »Du weißt genau, dass die Weißen unsere Feinde sind. Ganz gleich, ob Mann oder Frau oder Kind oder Greis. Sie waren es, die uns aus Afrika entführt haben. Sie waren es, die uns von unseren Familien und Freunden getrennt haben. Sie sind es, die uns schlagen und treten, die uns schuften lassen und mit unserem Blut ihre Böden düngen.«
    »Ich weiß«, erwiderte Fela. »Denkst du, ich habe auch nur einen Peitschenschlag vergessen? Nein, das habe ich nicht. Aber nicht alle Weißen sind schlecht. Don Hermann hat uns nie geschlagen. Und die beiden weißen Mujeres sind gute Herrinnen.«
    Herrero verzog den Mund und spuckte direkt vor Felas Füße. »Was du sagst, ist schierer Unfug. Es gibt keine guten Herrn und Herrinnen. Dass sie über uns herrschen, macht sie schlecht, wie gut sie auch herrschen mögen.«
    Herrero war groß und bullig, mit riesigen Muskelpaketen an Armen und Schultern, aber mit einem eigentlich friedlichen Gesicht. Jetzt jedoch war es vor Abscheu und Verachtung verzerrt. »Der Ingenio wird in Flammen aufgehen und mit ihm das Herrenhaus. So haben wir es beschlossen. So wird es geschehen, wenn die Zeit reif dafür ist.« Er funkelte Fela aus zusammengekniffenen Augen an. »Und du weißt, dass die Zeit bald reif ist, nicht wahr?«
    Fela senkte den Blick.
    »Du wirst uns nicht verraten, oder? Du selbst hattest dich einst angeboten, mit der kleinen weißen Doña ins Gespräch zu kommen. Wir alle wissen, dass den weißen Weibern die Röcke brennen, wenn sie Gelegenheit haben, einen schwarzen Schwanz zu kriegen. Du wolltest es. Du hast sie benutzt. Du kannst jetzt nicht abspringen, nicht ungeschehen machen, was geschehen ist.«
    Fela nickte, hielt den Blick noch immer zu Boden gerichtet. »Ich habe dich verstanden, Herrero«, sagte er. »Aber ich will nicht, dass du so

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