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Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Titel: Sterne der Karibik: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrice Fabregas
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dauerte lange, ehe in der Haustür, die Hermann extra weit offen stehen gelassen hatte, die ersten Sklaven erschienen. Sie trugen noch immer die roten Holzperlenketten des Kriegsgottes um den Hals und an den Handgelenken. Die Rasseln, die sie sich um die Knöchel gebunden hatten, ließen die laue Nacht erzittern.
    Allen voran Herrero, dem die Anstrengung der Trance noch ins Gesicht geschrieben stand. Dahinter, in der zweiten Reihe, zwei starke Männer, die Hermann als Arbeiter aus der Zuckermühle erkannte. Im Schein der Fackeln leuchteten ihre weißen Augen wie die Augen von bösen Geistern, während ihre schwarzen Leiber mit der Nacht verschwammen.
    Hermann betrachtete die Männer, insgesamt wohl ein Dutzend, und suchte Fela, doch er war nicht unter ihnen. Schließlich fragte er freundlich: »Was wollt ihr, Männer?«
    Herrero trat vor. »Wissen Sie es nicht, Don Hermann? Die Insel brennt. Die Sklaven erheben sich und befreien sich vom Joch der Sklaverei.«
    Hermann nickte. »Das ist gut und richtig und wohl schon längst überfällig.«
    Herrero starrte ihn mit zusammengekniffenen Augen an. »Was soll das heißen?«, fragte er misstrauisch.
    »Was soll das schon heißen? Ich entlasse euch alle in die Freiheit. Schon in wenigen Stunden kann der Notar kommen und euch die Urkunden ausstellen.«
    Herrero klappte die Kinnlade herunter, die anderen Männer sahen sich verständnislos an.
    »Wir sind frei?«, fragte Herrero verblüfft. »Sie lassen uns einfach so frei?«
    »Warum nicht? Freiheit, das habe ich mir sagen lassen, hat nichts mit Vernunft zu tun, sondern mit Phantasie, Empfinden und Empfindlichkeit. All das besitzt ihr wie die Weißen. Warum also nicht?«, fragte Hermann zurück. »Ihr könnt tun, was ihr wollt. Werdet glücklich mit Phantasie und Empfinden. Sucht euch Arbeit, sucht euch Obdach, verdient Geld, gründet Familien. Tut, was ihr schon immer tun wolltet.«
    Der letzte Satz brachte den Schwarzen zum Grinsen. »Was wir schon immer tun wollten?«, wiederholte er ungläubig.
    Hermann nickte.
    »Nun, was wir schon immer tun wollten, ist dies: Wir wollen auf seidenen Laken schlafen, unsere Frauen wollen sich mit parfümierter Seife waschen, wir wollen das beste Essen und bei Tisch bedient werden.«
    Hermann trat einen Schritt zur Seite. »Bitte, kommt herein«, sagte er und machte dazu eine ausholende Handbewegung. »Nehmt euch, was ihr wollt, was ihr braucht. Bitte, geniert euch nicht. Aber wer soll euch bei Tisch bedienen, wer soll die seidenen Laken waschen, wer das Haus putzen? Wer soll dafür sorgen, dass auch übers Jahr noch genug zu essen da ist und Geld für neue Kleider und Schmuck? Das geht nicht ohne Arbeit, geht nicht ohne das Zuckerrohr.«
    Herrero musterte seinen Herrn, und in seinem Gesicht erwachte langsam das Verstehen. »Wir wissen, dass auch Sie arbeiten. Aber wir wollen am Gewinn teilhaben.«
    Hermann zuckte mit den Schultern. »Bitte«, wiederholte er. »Nehmt, was ihr wollt. Aber denkt daran, die Zuckerrohrfelder stehen in Flammen. Was wollt ihr essen im nächsten Jahr? Wovon wollt ihr leben?«
    Die anderen schwarzen Männer wurden unruhig. Die Gier nach allem, was ihnen bisher vorenthalten worden war, war so unstillbar, dass es ihnen gleichgültig war, was morgen, was in einem Monat oder im nächsten Jahr geschah. Sie drängten Herrero zur Seite, brachen mit Geheul in das Haus ein. Zwei stürmten in die Küche, und Hermann konnte den Aufschrei von Dolores und Imelda hören, als sie die Speisekammer aufbrachen, Honigtöpfe und Eierkörbe umstießen, sich die gepökelten Schweineviertel schnappten, das Obst und die beiden Kuchen, die schon für das Wochenende gedacht waren. Einer hatte ein Fässchen Rum entdeckt, und wenig später hörte Hermann, wie aus dem Fass getrunken wurde.
    Andere waren nach oben gerannt. Sie stießen Möbelstücke um, Hermann hörte Stoffe reißen, Fenster klirren.
    Der Schmied aber stand mit offenem Mund da, die Augen klein vor Überraschung.
    »Wolltest du nicht seidene Laken?«, fragte Hermann und konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. »Bitte, hol sie dir. Nimm auch Kleider mit und Wäsche. Nimm, so viel du nur tragen kannst, denn es muss lange reichen.«
    Der Schmied war so restlos überrumpelt, so nachhaltig überfordert, dass er sich nicht zu rühren wagte. Er hob einen Fuß, doch es fehlte ihm mit einem Schlag an Kraft oder Willen, ihn nach vorn zu setzen. Die Arme hingen wie Stöcke neben seinem Körper, er ballte die Hände zu Fäusten, öffnete

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