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Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Titel: Sterne der Karibik: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrice Fabregas
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einfach zu still. Er begab sich in den Salon, dessen Fenster auf der linken Seite in Richtung Ingenio zeigten, die Fenster auf der rechten Front aber zur Stadt.
    Hermann öffnete eines der linken Fenster und lauschte in die Nacht. Karibische Nächte, das hatte er inzwischen gelernt, waren keineswegs still. Überall huschte und wisperte, tuschelte und summte es, aus allen Ecken drangen leise Töne, selbst die Königspalmen flüsterten mit dem Wind, und auch das Zuckerrohr, still am Tage, bog sich in der Nacht raunend zur Erde.
    Heute aber war kein Laut zu hören. Auch vom Sklavendorf war nichts zu vernehmen. Kein Gesang, keine Trommel. Nicht einmal der schwache Schein der Feuerstellen drang bis zu ihm. Hermann schüttelte sich leicht und versuchte, das Unbehagen zu verdrängen, doch es saß ihm im Nacken wie ein Alp. Er hatte einen Plan. Er wusste, was er tun würde, wenn sie kämen, um ihn zu holen, um ihn zu töten. Aber er wusste nicht, ob sein Plan aufgehen würde. Das große Problem war nämlich die Frage, ob denn seine Sklaven eigentlich wussten, was sie wollten. Er konnte sich schon vorstellen, dass in einigen die alles verzehrende Wut über jahrelange Demütigungen den Verstand so verdunkelt hatte, dass sie nur eines ersehnten: Rache! Und wie sah die Rache für ein verlorenes Leben, für verlorenen Stolz, verlorene Heimat aus? Selbst Hermann, der im Grunde daran glaubte, dass das Bibelwort »Auge um Auge und Zahn um Zahn« mehr Ärger als Nutzen einbrachte, hatte Verständnis für das rasende, stille, jahrelange Toben der Wut in den Sklaven.
    Er fühlte sich, wie er da am Fenster stand, wie ein Tier. Wie eine Maus vielleicht, ein Hase, der von der Schlange beobachtet wird, nicht ahnend, dass die tödliche Gefahr direkt vor seiner Nase ist. Er überlegte, ob er die Waffen, die ordentlich aufgereiht auf dem Küchentisch lagen, zusätzlich zu der Pistole zu sich nehmen sollte.
    Draußen waren jetzt Geräusche zu hören. Von der Stadtseite. Hermann wechselte das Fenster, öffnete es und schaute auf das schlafende Trinidad. In den meisten Herrenhäusern brannte zu seiner großen Verwunderung Licht. Niemand von den Weißen schien zu schlafen. Ein gedämpftes Klappern war zu hören, und Hermann beugte sich aus dem Fenster. Ein Eselskarren rumpelte leise vorüber. Irgendjemand hatte den Tieren Lappen um die Hufe gewickelt, damit sie auf dem Kopfsteinpflaster keinen Lärm machten. Hermann erkannte die Kisten, die da still und heimlich aus der Stadt geschafft wurden. Es waren Kisten, die dem Bürgermeister gehörten. Das Siegel seines Ingenios prangte unübersehbar darauf. Hermann lächelte, aber er wunderte sich nicht. Sie hatten Angst, seine weißen und kreolischen Brüder und Schwestern. Angst, dass das Unheil, welches sie verübt hatten, sie nun einholte. Im Grunde hatten sie Angst vor Gott und seiner gerechten Strafe. Wussten sie nicht, dass man vor Gott und dem eigenen Gewissen nicht fliehen konnte?
    Jetzt bog eine Droschke um die Ecke. Die Pferde hatten schwer zu ziehen. Hermann beugte sich noch weiter aus dem Fenster und erkannte in der Droschke den Bürgermeister, seine Frau und den Sohn. Vor seinem Haus hielt die Droschke an, und der Bürgermeister stieg aus. »Don Hermann, Sie sind noch da?«, rief er gedämpft.
    »Ja. Und ich werde auch bleiben.«
    »Aber die Nigger. Sie werden losschlagen. Wenn nicht in dieser Nacht, dann in der nächsten.«
    »Ich weiß«, erwiderte Hermann. »Aber ich werde meinen Ingenio nicht verlassen.«
    Das Droschkenfenster wurde aufgezerrt. Die dicke Bürgermeistergattin blickte heraus. Im Mondlicht glitzerten ihre unzähligen Ketten, die sie sich allesamt um den Hals geschlungen hatte, wie die sanften Wellen der Karibik. Auch an ihren Händen protzten Ringe über Ringe, die Unterarme hingen schwer von der Last der Armbänder.
    »Sollen wir etwas in Sicherheit bringen für Sie?«, plärrte sie. »Vielleicht den Schmuck Ihrer Frauen?« Ihr weißer, übermächtiger Busen quoll aus dem Kleid wie Hefeteig aus einer Schüssel. Hermann wollte sich angewidert abwenden, doch die Bürgermeistergattin quengelte weiter. »Was ist mit den anderen Wertsachen? Es wäre doch zu schade, wenn sie alle den Niggern in die Hände fielen.«
    Hermann hatte keine Ahnung, was er darauf antworten sollte, doch zu seinem Glück drängten schon die nächsten Droschken herbei und die Insassen verlangten, dass die Straße unverzüglich freigemacht wurde.
    Hermann konnte es nicht sehen, aber er war sich sicher,

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