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Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Titel: Sterne der Karibik: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrice Fabregas
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gleichgültig. Er sah nur dieses Bild, liebte es von ganzem Herzen, trug es in seiner Seele wie einen Schatz. Nach diesem Bild strebte er, einzig danach. Aber wie sollte er Zeit und Muße für einen Spaziergang in wunderbaren Gärten haben, wenn er als Tagelöhner bei den Bauern oder als Schauermann im Hafen schuften musste? Nein, Titine hatte Besseres verdient. Ein Leben nämlich, in dem sie sich um nichts sorgen musste, in dem alles vorhanden war, was sie benötigte. Brauchte sie denn so viel? Fela lächelte bei dem Gedanken. Nein, sicher nicht. Sie war keine von diesen hochnäsigen weißen Weibern, die den ganzen Tag mit Tand und Putz beschäftigt waren. Aber ein schönes Dach über dem Kopf wollte er ihr schon bieten.
    Plötzlich wusste er, was zu tun war. Er sprang auf, lief zurück in seine Grotte, holte eine Glasscherbe hervor, die er in der Nähe eines Bauernhofes gefunden hatte. Dann begab er sich zu einem Bach, machte halt an der stillsten und klarsten Stelle und begann, sich mit der Glasscherbe zu rasieren. Für den nächsten Tag hatte er sich vorgenommen, das Haar zu stutzen, dann wollte er seine wenige Wäsche waschen und sich schließlich hinaus aus den Wäldern und zurück ins Leben wagen.

Neuntes Kapitel
    D er heilige Lazarus. Titine musste die Bibel holen und nachlesen, was über ihn geschrieben war: Lazarus aus Bethanien war krank geworden und starb. Als Jesus das hörte, eilte er zu seinem Grab, in dem der Tote schon vier Tage lag, und rief: »Lazarus, komm heraus!« Der Tote kam heraus, seine Hände und Füße waren mit Binden umwickelt, sein Gesicht war mit einem Tuch verhüllt. Jesus sagte: »Nehmt ihm das alles ab und lasst ihn nach Hause gehen!«
    Sie dachte lange über diese Geschichte nach. Können Tote auferstehen? Können Dinge, die geschehen sind, rückgängig gemacht werden? Kann ein Unglück sich in Glück verwandeln? Sie fragte Grazia.
    Die alte Frau lächelte, doch es war ein Lächeln der Verzagtheit. »Du hast es selbst schon so oft erlebt, Titine. Hast du es noch nicht begriffen? Dass Gott oder die Orishas dir ein Kind geschenkt haben, als du wieder Platz hattest für eines in deinem Herzen?«
    »Was meinst du damit?«, wollte Titine wissen und zog ihren Sohn Aurelio auf den Schoß. Sie saßen in dem kleinen Gärtchen hinter ihrem Haus im Schatten eines Orangenbaumes. Es war Ende November, und Titine dachte daran, dass in Trinidad nun die Zuckerrohrernte begann.
    »Ich meine damit, dass du alles bekommen und erreichen kannst, wenn du nur den Platz dafür in deinem Herzen hast.«
    »Ich habe Platz für Fela. Immer hat er einen großen Platz in meinem Herzen gehabt.«
    Grazia zog an ihrer Abendzigarre und stieß den Rauch in einem wunderschönen Ring aus, der nach oben stieg und sich in den Blättern des Orangenbaumes auflöste. »Du hast einen Platz für den Fela, der er war. Aber hast du auch Platz für den, der er jetzt ist?«
    Titine zog die Stirn kraus. »Natürlich. Nichts kann mich von ihm trennen.«
    Grazia nickte. »Ich weiß, dass du das denkst. Eines langen Tages vor vielen Jahren hast du auch so von Hermann gedacht. Und nun? Man muss vergeben und vergessen. Man muss ständig bereit sein, neu anzufangen. Im Herzen und im Hirn. Erst dann ist man bereit für die Dinge, die sich einem Menschen bieten. Ich denke, die Geschichte deines heiligen Lazarus meint das auch. Das Ende ist nicht immer das Ende. Fast immer ist es auch ein Anfang.«
    Titine schwieg eine Weile, sah dem Rauch von Grazias Zigarre hinterher und wiegte den kleinen Sohn auf ihrem Schoß. Nach einer langen, langen Weile ging ein Ruck durch ihren Körper. »Ich werde mich frei machen. Frei machen von allem. Auf den Knien werde ich zur Kapelle des heiligen Lazarus kriechen. Und ich werde mir dazu Steine an die Füße binden.«
    Grazia verschluckte sich vor Schreck am Qualm und hustete, ehe sie fragte: »Bist du sicher, dass das der richtige Weg ist?«
    Und Titine nickte. »Ja, das ist es. In El Rincón wohnen der christliche Gott und auch die Orishas. Wo, wenn nicht dort, ist der geeignete Ort für eine wie mich?«
    Grazia stand auf. Sie ging ins Haus, blieb kurz vor dem Altar ihres Orishas stehen, dann holte sie eine Flasche mit kräftigem Rum aus einem Versteck unter dem Altar hervor, füllte zwei Gläser damit und gab eines davon Titine. »Du weißt doch, dass ich mir nichts aus Rauschschnaps mache«, sagte die blasse Frau.
    Grazia aber lächelte. »Mach Platz für Neues in deinem Herzen. Dies hier ist nicht

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