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Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Sterne der Karibik: Roman (German Edition)

Titel: Sterne der Karibik: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrice Fabregas
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nur Rum, dies hier ist ein Trank der Orishas.«
    Titine lächelte. »Und wenn ich davon betrunken werde?«
    Auch darauf wusste Grazia, der man im Viertel nachsagte, sie hätte Zauberkräfte, eine Antwort: »Der Lazarusweg, meine Liebe, ist ein Weg der totalen Erniedrigung. Hier, mit diesem Rum, kannst du einen Anfang machen.«
    Titine runzelte erneut die Stirn. »Wieso bringst du Rum mit Erniedrigung in Zusammenhang?«, fragte sie.
    Grazia schüttelte ihre rechte Hand, so dass ihre Armbänder daran leise klingelten. »Du verlierst womöglich ein wenig die Kontrolle über deine Gedanken. Ich weiß, nichts fürchtet ihr Europäer mehr. Aber versuch es einfach. Lass die alten Gedanken fahren, schaff dir Platz für neue.«

Zehntes Kapitel
    F ela kam aus den Bergen. Er war gewaschen und trug saubere Kleider, sein Haar war geschnitten, wenn man auch auf den ersten Blick sehen konnte, dass da kein Meister die Hand angelegt hatte. Er war barfuß, denn die Schuhe, in denen er damals geflohen war, waren lange schon zerfallen.
    Zuerst begab er sich in das nächste Dorf und fragte dort nach Arbeit. Nur für ein paar Tage, nur so lange, bis er sich einen guten Haarschnitt und ein paar Schuhe leisten konnte. Schon der erste Bauer stellte ihn ein, und so arbeitete er vier Wochen lang auf den Feldern, kümmerte sich um die Schweine, sicherte ihre Ställe, so dass niemand mehr einbrechen konnte.
    Dann, als er seinen ersten Lohn erhielt, kaufte er sich ein paar einfache Ziegenlederschuhe und ließ sich das Haar bei einem Barbier ordentlich zurechtstutzen. Der Bauer bat ihn, noch ein wenig zu bleiben, er könne ihn gut gebrauchen, aber Felas Pläne duldeten keinen Aufschub.
    Er war ungefähr fünfundzwanzig Meilen von Trinidad entfernt. Mit einem geschnürten Bündel, einem ausgehöhlten Kürbis als Wasserflasche, einem halben Laib Brot und einem Speckkanten machte er sich auf den Weg. Er lief Tag und Nacht. Manchmal nahm ihn ein Karren mit, ein anderes Mal durfte er auf einem Fuhrwerk, das mit Zuckersäcken beladen war, mitfahren. Doch zumeist lief er, schlief nachts unter freiem Himmel, aber stets darauf bedacht, seine neue Kleidung und seine neuen Schuhe zu schonen.
    Es dauerte lange, bis er endlich dort angekommen war, wo er früher gelebt hatte: auf dem Ingenio von Hermann Fischer in Trinidad.
    Als er den ehemaligen Besitz vor sich liegen sah, hatte er Mühe, gegen die Tränen zu kämpfen. Er hatte sich erkundigt, wusste genau, dass das Land noch immer Hermann und Mafalda gehörte. Aber, großer Gott, wie sah es hier nur aus! Die Felder, früher der Stolz der ganzen Gegend, lagen nach wie vor verbrannt, schwarz und staubig vor ihm. Fela kniete sich nieder, nahm ein wenig Erde zwischen seine Finger, roch daran und ließ sie zu Boden rieseln. Es könnte gehen, dachte er dabei. Es würde unglaublich viel Arbeit kosten, diese Felder wieder urbar zu machen, aber es könnte gehen. Er streichelte mit der Hand sanft über die geschundene Erde, als erbitte er von ihr die Erlaubnis, sich mit ihr beschäftigen zu dürfen.
    Dann wandte sich Fela um und ging langsam auf das Verwalterhaus zu. Hier hatte er einst mit Titine die schönsten Stunden seines Lebens verbracht. Hier war er so glücklich gewesen, wie es ein Sklave nur sein konnte. Aber ach, wie sah das Haus aus!
    Der Hurrikan hatte die Holzläden von den Fenstern gelöst. Die Tür hing schief in den Angeln, und auf dem Dach klafften große Löcher, dafür lagen wohl an die zwei Dutzend Ziegel zerbrochen auf dem Boden. Die Verandamöbel waren umgestürzt und von Wind und Wetter gegerbt. Die Blumenkübel waren zerborsten, vertrocknete Pflanzen hingen über den Rand.
    Fela schlug die Hände vor das Gesicht. Ein Glück, dachte er, dass Titine dies nicht sehen muss.
    Er ging die drei Stufen hoch bis zur Haustür, achtete dabei darauf, nicht auf abgesplittertes Holz oder Ziegelreste zu treten.
    Die Tür ließ sich leicht öffnen. Vom Regen verquollen, war sie ganz von selbst aus dem Schloss gesprungen.
    Fela stieß sie mit dem Fuß auf, sie schwang quietschend und knarrend zur Seite, und er trat ein. Als Erstes fiel ihm der Geruch des Hauses auf. Früher herrschte hier immer ein leichtes Aroma von Blütendüften, von Titines feinen Seifen oder dem Bügelwasser ihrer Kleider. Jetzt roch es dumpf und modrig, beinahe so wie in seiner Berggrotte. Auch hier hatten sich Fledermäuse eingenistet, Vogeldreck bedeckte den Boden. Die Dielen waren aufgequollen und aus ihrem Bett gesprungen, die

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