Sterne einer Sommernacht
zarte Berührung in ihm auslöste, hätte nicht stärker sein können. Es kam so unerwartet, er hatte es sich so lange ersehnt. Ihm war gar nicht klar, dass seine Hand plötzlich die ihre umklammerte wie ein Schraubstock, sodass sich ihre Augen vor Schreck weiteten. Al es, was er wusste, war, dass ihre Lippen auf seinen gelegen hatten, wenn auch nur für einen kurzen Moment.
Jetzt konnte er sich nicht mehr länger zurückhalten.
Er zog sie in seine Arme, um noch einmal von ihren Lippen zu kosten.
Ihr Mund raubte ihm den Verstand. Er konnte nicht anders, als ihn in Besitz zu nehmen, seine Konturen mit seiner Zunge zu liebkosen und dann einzutauchen in die warme, feuchte Höhle.
Sein Herz klopfte zum Zerspringen, sein Blut begann zu sieden, er hörte das Rauschen in seinen Ohren. Sie in den Armen zu halten war der Himmel auf Erden.
Es dauerte einige Zeit, ehe ihm zu Bewusstsein kam, dass sie sich mit aller Kraft gegen ihn stemmte. Verwirrt ließ er von ihr ab und sprang auf.
Sie starrte ihn an, die Augen dunkel wie Regenwolken, eine Hand an den Mund gepresst, den er eben geplündert hatte.
Geplündert. Das ist das richtige Wort, dachte er, angewidert von sich selbst. Geplündert.
„Es tut mir leid.” Er war ebenso bleich wie sie rot und verfluchte sich im Stillen bis in alle Ewigkeit. Wie konnte er nur! „Es tut mir leid”, wiederholte er. „Ich … wirklich … schrecklich leid. Das wollte ich nicht, du … du hast mich … aus der Fassung gebracht.” Das ist keine Entschuldigung, sagte er sich. Seine Strafe würde darin bestehen, dass sie ihm ihr Vertrauen ein für alle Mal entzog. „Das war ganz und gar gegen die Spielregeln. Es wird nicht wieder vorkommen, ich verspreche es dir. Ich weiß wirklich nicht, was ich mir dabei gedacht habe, das war unverzeihlich. Ich muss jetzt gehen.”
„Devin …”
„Ich muss gehen”, beharrte er niedergeschmettert, ja, fast verzweifelt und wandte sich zur Tür. Fast wäre er über einen Tisch gestolpert. Sie rührte sich keinen Millimeter von der Stelle, und ihm gelang es schließlich, ohne weitere Demütigungen zu entkommen.
Sie hörte, wie die Tür hinter ihm ins Schloss fiel. Nein, sie hatte sich nicht bewegt. Weil sie sich nicht bewegen konnte.
Was war eben geschehen? Sie hatte ihm einen Kuss gegeben, einen Kuss unter Freunden, weil sie geglaubt hatte, sie wäre mittlerweile dazu in der Lage.
Rafe küsste sie ständig. Wenn er hier im Inn vorbeikam, küsste er sie oft genau so, wie sie es eben bei Devin versucht hatte. Leicht, wie nebenbei.
Nach einiger Zeit hatte sie sich schon daran gewöhnt und aufgehört, sich zu versteifen.
Und jetzt hatte sie Devin geküsst. Sein Kuss war aber ganz anders gewesen als der von Rafe. Ihre Finger lagen noch immer an ihren Lippen, sodass sie die Hitze spüren konnte. So war sie noch niemals geküsst worden, von niemandem. Als ginge es um Leben und Tod. Sie hätte sich nie träumen lassen, dass Devin …
Oh, natürlich hatte sie! Sie hatte es geträumt, in der vergangenen Nacht.
Hatte sie eben wieder geträumt?
Nein, das, was sie eben erlebt hatte, war die Realität. Ihr Herz klopfte noch immer, und ihre Haut war heiß. Sie hatte sich so erschreckt, als er sie in seine Arme gezogen und seine Lippen auf ihre gelegt hatte, dass sie nicht in der Lage gewesen war, sich zu bewegen.
Wie lang hatte der Kuss gedauert? Dreißig Sekunden? Eine Minute? Sie wusste es nicht zu sagen, doch in ihr hatte sich während dieser Zeit unendlich viel ereignet. Sie zitterte immer noch.
Er hatte sich entschuldigt. Natürlich hat er das, dachte sie, lehnte sich zurück und versuchte ruhiger zu atmen. Er hatte ja gar nicht beabsichtigt, sie zu küssen. Es war einfach eine spontane Reaktion gewesen. Wie Männer eben so sind. Ein Reflex. Dann war ihm ihr mangelndes Interesse aufgefallen, und er hatte sie losgelassen. Und sich entschuldigt. Er war eben ein Ehrenmann.
Es war nur ein Kuss, erinnerte sie sich. Und doch hatte er sie voll kommen aus dem Gleichgewicht gebracht. Warum nicht einfach darüber lachen und so tun, als ob nichts gewesen wäre?
Sie würde sich alle Mühe geben, nahm sie sich vor. Das nächste Mal, wenn sie ihn sah, würde sie lächeln und ein Gespräch anfangen, als sei nichts geschehen. Sie lernte in diesen Dingen mehr und mehr hinzu, jeder Tag zeigte es ihr. Keinesfalls durfte ihre Freundschaft darunter leiden, das könnte sie nicht ertragen.
Sie stand auf, um ihre Arbeit schließlich zu beenden. Ihre Knie zitterten
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