Sterne einer Sommernacht
einzige Mensch warst, den ich hatte. Und du hast mich zurückgeschickt.”
„Weil dein Platz zu Hause war. Du hattest die Pflicht, aus deiner Ehe das Beste zu machen.”
„Ich habe zehn Jahre lang mit allen Mitteln versucht, das Beste daraus zu machen, und er hat mich fast umgebracht. Du hättest für mich da sein sollen, Mama. Du hättest zu mir halten sollen.”
„Ich habe das getan, was richtig war.” Constances Mund war nur noch eine dünne Linie. „Wenn du ihn gezwungen hast, dich zu disziplinieren, war das nicht …”
„Mich zu disziplinieren!” Obwohl seitdem schon eine lange Zeit vergangen war, war Cassie außer sich. Empört sprang sie auf. „Er hatte überhaupt kein Recht dazu, mich zu disziplinieren. Ich war seine Frau! Er hätte mich zu Tode diszipliniert, wenn ich nicht schließlich den Mut gefunden hätte, etwas dagegen, gegen ihn, zu unternehmen. Wärst du dann zufrieden gewesen, Mama? Dann hätte ich mein Gelübde gehalten. Bis dass der Tod euch scheidet.”
„Du übertreibst maßlos. Und was früher war, ist vorbei. Er hat seine Fehler eingesehen. Es kam alles nur von seiner Trinkerei und von den Frauen, die ihn ständig in Versuchung geführt haben. Er bittet dich um Verzeihung und hofft, dass du bereit bist, dein Gelübde aufrechtzuerhalten, genau wie er es zu tun beabsichtigt.”
„Ich verzeihe ihm aber nicht, und mich bekommt er auch nicht mehr. Wie kannst du verlangen, dass ich wieder zu ihm zurückgehe? Ich bin deine Tochter, dein einziges Kind. Du solltest auf meiner Seite sein.” Aus Cassies Augen war alle Unsicherheit und Ängstlichkeit gewichen. Ihr Blick war hart wie Stahl. „Wie kannst du Partei ergreifen für einen Mann, der mich so unglücklich gemacht hat? Willst du denn nicht, dass ich glücklich bin?”
„Ich will, dass du einfach nur das tust, was von dir erwartet wird. Und ich erwarte, dass du tust, was man dir sagt, verstehst du das?”
„Ja, das war schon immer das Einzige, worum es dir ging. Warum, glaubst du wohl, habe ich geheiratet, Mama?” Cassie konnte es kaum glauben, dass es ihr Mund war, aus dem diese Worte sprudelten, aber sie konnte auch nichts dagegen tun. „Ich habe es nur deshalb getan, um endlich von dir wegzukommen, um dieses Haus, in dem nie jemand gelacht oder irgendwelche Gefühle gezeigt hat, endlich hinter mir lassen zu können.”
„Du hast es zu Hause gut gehabt.” Diesmal war es Constances Stimme, die zitterte. „Und du hast eine anständige christliche Erziehung genossen.”
„Nein, habe ich nicht. An einem Elternhaus ohne Liebe ist nichts Anständiges oder Christliches. Ich werde dafür sorgen, dass meine Kinder nicht so aufwachsen müssen, nicht mehr jedenfalls. Du bist meine Mutter, und ich will deine Gefühle respektieren, soweit ich kann. Alles, worum ich dich bitte, ist, dass du es umgekehrt genauso machst. Ich sage es dir ein für alle Mal: Ich will mit Joe nichts mehr zu tun haben. Nichts. Absolut gar nichts.”
Constance erhob sich jetzt ebenfalls. „Hättest du vielleicht die Güte, mir zu verraten, was das heißen soll? Du redest wirres Zeug.”
„Hör auf, ihm zu schreiben. Und auch dem Gefängnisdirektor.”
„Ich denke ja überhaupt nicht daran.”
„Dann bist du in meinem Haus nicht mehr willkommen, Mama. Wir haben uns nichts mehr zu sagen.”
Constance glaubte ihren Ohren nicht trauen zu können. Sie starrte ihre Tochter fassungslos an. „Du musst den Verstand verloren haben.”
„Oh nein, Mama. Ganz im Gegenteil. Ich scheine ihn erst vor noch nicht allzu langer Zeit gefunden zu haben. Leb wohl, Mutter.”
Cassie ging entschlossen zur Tür und hielt sie auf. Sie versteifte sich, als Constance mit zusammengekniffenen Lippen an ihr vorbeiging. Erst nachdem sie die Tür geschlossen hatte, begann sie zu zittern.
Langsam, unsicheren Schrittes, wankte Cassie zum Tisch zurück und setzte sich. Sie legte die Arme fest um sich und wiegte den Oberkörper leise hin und her, um sich zu beruhigen.
So saß sie noch immer, als Devin zehn Minuten später an den Holzrahmen der Fliegengittertür klopfte. Da die Tür offen stand, konnte er sie sehen, und er sah, wie sich ihr Oberkörper hin- und herbewegte wie ein Schilfrohr im Wind.
Dieser Anblick war nicht neu für ihn. Genauso hatte sie damals dagesessen, in seinem Büro, als sie gekommen war, um gegen ihren Ehemann Anzeige zu erstatten.
Ohne einen Moment zu zögern, stieß er die Fliegengittertür auf und war schon mit ein paar langen Schritten bei
Weitere Kostenlose Bücher