Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sterne im Sand

Sterne im Sand

Titel: Sterne im Sand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Shaw
Vom Netzwerk:
die Sonne unterging. Allerdings hatte sich das Volk der Kamilaroi in alle Winde zerstreut. Minnies Vater war beim Überfall auf eine Gruppe weißer Jäger getötet worden. Es hieß, er sei ein Abtrünniger gewesen, der eine schlechte Horde anführte, was seine Verwandten jedoch bestritten. Manchmal wünschte Minnie, es sei wahr. Anders als ihre Schwester Nioka war sie schüchtern und stellte sich ihren Vater gern als großen Krieger und Kämpfer vor. Sie hoffte, er sei ein Abtrünniger gewesen, der es den weißen Leuten heimgezahlt hatte.
    Nach seinem Tod war das Leben für die Cullya schwierig geworden. Viele zogen nach Norden in die heißen Länder, um bei entfernten Stämmen Zuflucht zu suchen; andere verschlug es in die Städte der weißen Menschen, doch Minnies engste Familie und Freunde versuchten, in der vertrauten Gegend zurechtzukommen. Leider war das kaum noch möglich, da die Weißen sie immer weiter wegtrieben, um Platz zu schaffen für ihre Familien und ihr Vieh.
    Schließlich traf Minnies Mutter nach langwierigen Auseinandersetzungen die Entscheidung, ›hineinzugehen‹. Ihr Name durfte nun nicht mehr erwähnt werden, weil sie letzten Sommer gestorben war. Sie war eine starke, muskulöse Frau mit einer lauten Stimme gewesen, und der weiße Mann erkannte bald, wer in dieser Horde das Sagen hatte.
    Sie war allein vor Mr. Broderick hingetreten und hatte verlangt, daß man ihnen gestattete, ein ständiges Lager an der Flußbiegung aufzuschlagen, in angemessener Entfernung von seinem Haus. Im Gegenzug würde sie dafür sorgen, daß es keine Kämpfe, toten Schafe oder Lagerdiebstähle mehr geben würde.
    Und so schlossen sie einen Pakt. Er erklärte sich sogar bereit, den ungefähr fünfzig Menschen der Cullya-Horde zwei Schlachtschafe pro Monat und gelegentliche Rationen Tee, Mehl und Tabak zu überlassen, falls sie sich gut benahmen.
    Allerdings lief es nicht immer glatt. Oft genug hörten die Mädchen die lautstarken Auseinandersetzungen zwischen Mr. Broderick und ihrer Mutter, wenn diese ihre Leute um jeden Preis verteidigte, die schwere Kriegskeule in seine Richtung schwang und verlangte, er solle seine Männer von den schwarzen Frauen fernhalten. Er schrie zurück und drohte damit, die gesamte Horde von seinem Besitz zu vertreiben, was ihre Wut nur noch weiter anstachelte. Sie war eine wilde Frau, beinahe so groß wie er, und nicht bereit, klein beizugeben, zumal sie fand, daß er alles in allem ein guter Mensch war, sofern das bei Weißen überhaupt möglich war.
    Irgendwann setzten sie sich nieder, rauchten und redeten und lachten schließlich – zur Verwunderung der übrigen Horde, die sich unter den Bäumen versammelt hatte in der Befürchtung, bald nun auch von ihrem letzten Lagerplatz vertrieben zu werden.
    Nur Minnie und Nioka wußten um die Tiefe der Verzweiflung, die im Herzen ihrer Mutter wohnte. Als sie auf Wanderschaft gingen, um die alten Gebote zu erfüllen und den geheiligten Stätten einen Besuch abzustatten, begriff sie, wie unmöglich es allmählich wurde, ihre Lebensweise aufrechtzuerhalten. Heilige Orte fanden sie entweiht vor, Land, auf dem sie früher Nüsse und Honig gefunden hatten, war gerodet worden, die großen Emu-Herden wurden vertrieben. Letzteres tat mehr weh als alles übrige. Emus waren ihr unberührbares Totem, dem nie ein Leid zugefügt werden durfte, und mit ihrer Zahl schwand auch ihre eigene Stärke dahin. Von da an kümmerte sich die Mutter immer weniger um ihre elende Lage und verbrachte ihre letzten Tage mit Fischen und Tagträumerei.
    Als sie im Sterben lag, kam Mr. Broderick allerdings, um seinen Respekt zu bezeugen. Er stand neben der Hütte Wache, während ihre Familie trauerte und das Leben mehr und mehr aus ihr wich.
    Sein Erscheinen hatte Minnie beeindruckt, ganz im Gegensatz zu Nioka. Diese glich mehr ihrer Mutter, war temperamentvoll, herrisch, eine Kämpfernatur. Sie wollte ihn nicht im Lager dulden.
    »Er war nicht eingeladen«, schrie sie. »Wie kann er es wagen, sich einzumischen! Seine Leute haben ihr Herz getötet.«
    »Respekt, Nioka, er bezeugt seinen Respekt.«
    »Wir brauchen seinen Respekt nicht. Du sagst das nur, weil du für ihn arbeitest. Du willst deinen blöden Job nicht verlieren.«
    »Das ist nicht wahr.«
    Minnie ging aus der Küche in den Vorratsschuppen, wo sie einen großen Kürbis aussuchte, ihn auf eine Bank legte und mit einer kleinen Machete geschickt in vier Teile hackte. Sie seufzte, zögerte ihre Rückkehr ins Haus noch

Weitere Kostenlose Bücher