Sterne im Sand
wünschte, sie würde sich beruhigen, ihm Tee bringen, ihm das verfluchte Oberteil des Schlafanzugs ausziehen – sie wußte doch, wie sehr er Oberteile haßte –, ihn einfach in Ruhe lassen.
Dann tauchte Tennant mit seiner aufreizenden Fröhlichkeit wieder auf, gefolgt von Victor, Louisa und Rupe, die ihn alle anstarrten und sich nach seinem Befinden erkundigten. Das konnten sie doch wohl selber sehen! Der kleine Teddy stürmte herein und sprang zu ihm aufs Bett. Sein Großvater versuchte zu lächeln, doch Louisa zerrte den Jungen weg.
»Runter mit dir, Teddy! Opa ist krank.«
»Ich will ihm nur das Jo-Jo zeigen.« Die kleinen Hände warfen das rote Jo-Jo in die Luft, doch die Schnur entglitt ihnen und das Spielzeug sauste knapp an Austins Kopf vorbei an die Wand.
»Sieh nur, was du angerichtet hast!« schalt ihn Louisa.
»Nimm ihn mit«, ordnete Charlotte an. »Austin braucht Ruhe.« Sie drückte ihrer Schwiegertochter einen Papierkorb voller Glasscherben in die Hand. »Und den hier bitte auch.« Als alle außer Charlotte den Raum verlassen hatten, kehrte erneut Ruhe ein. Sie richtete den Nachttisch wieder auf. »Ich stelle dir hier eine kleine Glocke hin. Dann kannst du klingeln, wenn du etwas brauchst. Ich bleibe immer in deiner Nähe. Victor holt außerdem den Nachtstuhl, den wir für Justin hatten …«
Austin wandte sich angewidert ab. Nachtstuhl? Wie tief wollten sie ihn eigentlich noch sinken lassen?
Er dachte an Justin, seinen verstorbenen Bruder. Vor sieben Jahren war er hier bei ihnen an Krebs gestorben. Ein qualvoller Tod nach langem Dahinsiechen. Armer Justin! Er war immer ein scheuer, konservativer Bursche gewesen, drei Jahre älter als Austin, mit vorzeitig ergrautem Haar. Dessen Träume von einer großen Schaffarm hatten ihn nicht interessiert. Er war ein Stadtmensch, der eine öde Stelle als Lehrling bei einem Goldschmied dem Leben im Busch vorzog.
Schließlich kaufte er jedoch ein Geschäft, das in einer Passage in der Queen Street von Brisbane gelegen war, und brauchte seinem Bruder den Erfolg nicht zu neiden, denn er brachte es selbst zu einigem Wohlstand. Dann hatte er Fern geheiratet, die liebenswerte, wunderschöne Fern.
Austin war anläßlich der Hochzeit mit seiner Familie nach Brisbane gereist und hatte zu seiner Verblüffung dieser Schönheit gegenübergestanden. Er konnte einfach nicht verstehen, wie der langsame, steife Justin das Herz einer so attraktiven Frau hatte gewinnen können. Die Braut trug cremefarbene Spitze, die ihre Pfirsichhaut, die dunklen Locken und blauen Augen wunderbar zur Geltung brachte. Fern lachte viel, und ihre Augen lachten immer mit. Austin hatte sich auf der Stelle in sie verliebt.
Doch Fern und Justin waren sehr glücklich miteinander, das mußte Austin zugeben. Obwohl damals schon krank, hatte Justin darauf bestanden, sich Austins Haus anzusehen, als es endlich fertiggestellt war. Er war hergereist und nach wenigen Tagen hier zusammengebrochen.
Es war eine schwere Zeit gewesen, für alle Beteiligten. Dr. Tennant konnte nur wenig gegen Justins quälende Schmerzen ausrichten. Austin brach es fast das Herz, seinen Bruder so leiden zu sehen, und der Tod kam letztendlich als Erlösung. Austin hatte seine Schwägerin nach Brisbane zurückbegleitet und ihr jede erdenkliche Hilfe angeboten, doch Fern war eine sehr unabhängige Frau. Anstatt das Geschäft zu verkaufen, übernahm sie selbst dessen Leitung und sorgte dafür, daß der Name Broderick in der Schmuckbranche auch weiterhin einen guten Klang behielt. Insgeheim hatte Austin gehofft, sie würde damit scheitern, weil er ihr dann zu Hilfe eilen und sie vor dem finanziellen Ruin retten könnte, doch es blieb ihm versagt, den edlen Ritter zu spielen.
Wann immer er danach mit oder ohne Charlotte nach Brisbane kam, fand er stets eine Gelegenheit, um mit Fern allein zu sein. Zunächst sprachen sie natürlich übers Geschäft, und danach genoß er die amüsante Unterhaltung mit dieser reizenden Frau.
Irgendwann konnte Austin Broderick es nicht länger ertragen und platzte eines Abends beim Essen mit der Wahrheit heraus.
»Fern, ich muß dir etwas sagen. Ich liebe dich.«
Sie lächelte. »Oh, das weiß ich.«
Er konnte es kaum fassen. »Aber weshalb hast du dann nichts gesagt?«
»Ich?« fragte sie lachend. »Was hätte ich denn sagen sollen? Menschen verlieben sich eben. Es passiert einfach. Ich liebe dich auch, aber du bist ein verheirateter Mann. Also iß endlich auf, denn es erwartet dich noch
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