Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)
Maddie wandte sich Mark zu. »Hat er Angehörige?«
»Nein. Jedenfalls keine nahen«, antwortete Mark.
»Wer kümmert sich um ihn?«, fragte Maddie.
»Ich vermute, sie werden ihn eine Weile hierbehalten und dann Hilfe organisieren.« Er nahm ihr gegenüber Platz.
»Schrecklich. Fremde Menschen im eigenen Haus«, murmelte Hannah.
»Besser, als nicht bei sich zu Hause zu sein«, sagte Maddie.
»Stimmt. Dad war wenigstens bei uns.«
Maddie legte ihre Hand auf die von Hannah. Hannah wollte sie ihr wegziehen, ließ es dann aber doch bleiben.
»Gehören Sie zu Mr Martin?«, fragte ein junger Mann in grüner Krankenhauskleidung.
»Ja.« Mark stand auf.
»Es geht ihm gut. Zum Glück war es ein glatter Bruch, und …«
»Ja«, fiel Mark dem Arzt ins Wort. »Was fehlt ihm sonst noch?«
»Schwere Prellungen auf der linken Seite.«
Warum, fragte sich Maddie, hatte Mark den Arzt nicht ausreden lassen?
»Wenn Sie ihn sehen wollen: Man hat ihn ins Aufwachzimmer gebracht. Er ist noch ein bisschen benommen. Bleiben Sie nicht zu lange; er braucht Ruhe.«
»Danke.« Maddie berührte Hannahs Schulter. Hannahs Augen waren feucht.
»Na, wollen wir uns den alten Kauz ansehen?«, fragte Mark.
»Er ist kein alter Kauz«, herrschte Hannah ihn an.
Mark musste lachen.
Obwohl Old Tom an alle möglichen Geräte angeschlossen war, sah er deutlich besser aus als zuvor.
»Hallo, Alter.« Mark trat an sein Bett.
»Hallo.« Old Toms Stimme war kaum zu hören.
»Wie geht’s?«, erkundigte sich Mark.
»Ging schon mal besser.«
»Das glaub ich dir gern.« Mark schmunzelte.
Hannah, der die Tränen übers Gesicht liefen, schob Mark weg, um Old Toms Hand zu ergreifen, aus der eine Kanüle ragte.
»Werden Sie bald wieder gesund«, sagte sie.
»Ja.« Old Tom schloss die Augen.
»Ruhen Sie sich aus.« Hannah küsste ihn auf die runzlige Wange. »Ich hab Sie gern.«
Maddie traten ebenfalls Tränen in die Augen, als sie Hannahs Worte hörte.
Hannah war ins Bett gegangen, und Mark hatte sich gerade verabschiedet. Es war ein mörderischer Tag gewesen, dachte Maddie, als sie mit einem Whisky in einen der Küchensessel sank und das Tagebuch ihrer Mutter in die Hand nahm.
Haben gestern Abend am Strand das Pfänderspiel gespielt. Durfte P küssen. Das war das erste Mal. Anfangs war’s komisch, so einen guten Freund zu küssen, aber auf dem Heimweg haben wir’s noch mal probiert. Da wurde es besser.
Der Mieter ist aus Kalifornien und sieht toll aus. Er ist sehr höflich und malt gern am Fluss. Ich hab mich in den Stall geschlichen, um mir seine Bilder anzusehen. Es sind bloß große Farbwirbel drauf, aber in denen konnte ich das Meer spüren.
Maddie fragte sich, ob Helen Williams etwas herausgefunden hatte. Möglicherweise erfuhr Maddie durch dieses alte Heft mehr. Durch die Fotos von Nancy wusste sie immerhin, wie ihre Mutter ausgesehen hatte. Maddie nahm einen Schluck Whisky. Ein Teil von ihr hätte die Seite des Tagebuchs am liebsten so schnell wie möglich gelesen, ein anderer wollte jedes Wort auskosten. Mit geschlossenen Augen stellte sie sich ihre Mutter in Penarvon Cove vor.
Bin stundenlang mit P auf dem Fluss gesegelt. Mit ihm gibt’s immer was zu reden. Er liebt Cornwall genauso sehr wie ich, wenn nicht mehr. Vielleicht sollten wir in ein paar Jahren heiraten. Dann müssten wir nicht von hier weg.
Auf der nächsten Seite waren Wasserflecken, so dass Maddie die obere Hälfte nicht lesen konnte.
Ich habe den Tag mit ihm auf dem Denis Head verbracht. Er war so in seine Arbeit vertieft, dass er mich die meiste Zeit gar nicht bemerkt hat. Beim Lunch hat er mich über mein Leben ausgefragt und was ich später mal machen will. Außer Tante Daphne hat mir noch nie jemand zugehört. Wenn er lacht, funkeln seine haselnussbraunen Augen. Das war auch so, als ich ihm gestanden habe, dass ich Schauspielerin werden möchte. Er hat gesagt, dann müsste ich nach Kalifornien ziehen und Filmstar werden. Ich habe ihm erklärt, dass ich nicht zum Film, sondern auf die Bühne möchte. Da ist er still geworden und hat mich angeschaut, als würde er mich zum ersten Mal sehen.
Maddie stand auf und ging in der Küche auf und ab. Ihre Mutter hatte Theaterschauspielerin werden wollen. Diesen Drang hatte Maddie nicht von ihr geerbt. Sie litt unter schrecklichem Lampenfieber, wenn sie vor Leuten sprechen musste. Maddie setzte sich wieder und wandte sich der nächsten lesbaren Passage zu.
Es war ein sehr heißer Tag, die Bucht menschenleer. Ich
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