Sterne über Cornwall: Roman (German Edition)
Ihnen und Hannah unterbinden wollte. Deshalb schreibe ich Ihnen mit gemischten Gefühlen. Hannah ist mittlerweile fast sechzehn, trauert nach wie vor um ihren Vater und fühlt sich verloren in der Welt. Sie hat mich gebeten, ihr bei der Suche nach ihrer Mutter zu helfen.
Ich weiß nicht, was damals passiert ist, und auch nicht, wie Ihre Einstellung heute aussieht, aber Ihre Tochter würde gern mit Ihnen in Kontakt treten. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich bei mir melden und mir mitteilen könnten, was Sie von ihrem Wunsch halten.
Mit freundlichen Grüßen
Maddie Hollis
Besonders zufrieden war sie mit dem Text nicht, aber eine bessere Lösung fiel ihr nicht ein. Sie steckte den Brief in einen Umschlag und klebte ihn zu.
22
I m Schutz eines Torbogens blickte Maddie auf den Hafen von Falmouth hinaus. Wolken türmten sich über St. Mawes, das aufgewühlte Wasser leckte an den Rümpfen der Boote. Der März war ein trister Monat, heute erschien er ihr sogar bedrohlich. Doch davon wollte sie sich die Laune nicht verderben lassen, denn in ihrem Kopf wimmelte es von aufregenden Ideen. Auf Tamsins Drängen hin hatte sie einen sehr produktiven Vormittag mit einem Besuch in der Universität und einigen Galerien verbracht. Tamsin hatte recht: Sie musste sich hier Kontakte aufbauen.
Als sie sich umdrehte, stieß sie mit jemandem zusammen. Sie kannte die Hände, die sie auffingen: Gunnar. Er begrüßte sie mit einem Lächeln.
»Hallo, Maddie.«
»Gunnar.« Damit, ihm in Falmouth zu begegnen, hatte sie nun wirklich nicht gerechnet.
»Perfektes Timing. Ich wollte gerade essen gehen. Leistest du mir Gesellschaft?«
In dem Moment begann Maddies Magen wie aufs Stichwort laut und vernehmlich zu knurren.
Sie lächelte. »Gern.«
»Wunderbar. Ich kenne da ein hübsches Plätzchen.«
Sie begleitete ihn durch enge Gassen zum Kai. Von außen machte das Lokal nicht viel her, doch Maddie wusste, dass sie sich auf Gunnars Geschmack verlassen konnte.
Sie bekamen einen Tisch am Fenster mit Blick auf einen kleinen Innenhof. Als Gunnar sich kurz entschuldigte, verschränkte Maddie die Hände auf der Speisekarte. Wie, fragte sie sich, sollte sie mit der Situation umgehen? Sie studierte ihre Fingernägel. Unter einem entdeckte sie einen leuchtend roten Farbrest. Den hatte sie in ihrem Glücksnebel offenbar übersehen. Die Erinnerung an Mark beruhigte sie. Das Gespräch mit Gunnar musste nicht unbedingt unangenehm werden. Sie hatte Gunnar nicht an der Nase herumgeführt, hätte ihm nur früher gestehen sollen, dass sie mit Mark zusammen war. Als sie den Blick hob, sah sie Gunnars fröhliches Gesicht.
»Bei meinen Recherchen komme ich immer gern hierher.«
»Ich hätte Falmouth nicht gerade für einen Fischerort gehalten«, sagte Maddie.
»Verglichen mit, sagen wir mal, Newlyn ist es das auch nicht, aber hier spürt man die Geschichte an allen Ecken und Enden.«
Sie nickte. Wie Gunnar die Welt sah, gefiel ihr.
Bei einem köstlichen Meeresfrüchtesalat erzählte sie ihm von ihrem Vormittag.
»Hat sich eine Galerie gefunden, die bereit ist, deine Werke zu verkaufen?«, erkundigte er sich.
Maddie lachte. »So einfach ist das nicht, aber mit einer könnte es funktionieren. Viel aufregender fand ich die Uni.«
»Hast du denn keinen Abschluss?«, fragte er stirnrunzelnd.
»Doch, den Master. Nein, spannend ist die Chance, mit Studenten zu arbeiten.«
»Du willst unterrichten?«
»Nicht richtig.« Maddie betrachtete die dunkle Farbe der Miesmuschel in ihrer Hand. »Es handelt sich um eine Tutorentätigkeit.«
»Ah, das ist etwas anderes. Da kommen die Studenten schon mit einem gewissen Vorwissen zu dir.«
Sie nickte.
»Das würde dir helfen, hier Wurzeln zu schlagen«, sagte er.
»Ja, aber dass mir das gelingen würde, habe ich nie bezweifelt.« Sie holte tief Luft. »Gut, dass du mir über den Weg gelaufen bist. Ich wollte dir sagen, dass Mark und ich zusammen sind.« Sie lehnte sich zurück. Jetzt war es heraus.
»Das überrascht mich nicht. Ich habe das Knistern zwischen euch gespürt. Trotzdem stimmt es mich traurig.« Er griff nach ihrer Hand.
»Tut mir leid.«
»Ja, es hätte schön werden können.« Er drückte ihre Finger. »Können wir trotzdem Freunde sein?«
»Natürlich«, antwortete Maddie lächelnd, die sah, wie warmes gelbes Licht das graue Kopfsteinpflaster im Hof erhellte.
Regen prasselte auf Hannah hernieder, als sie entlang der kleinen Straße nach Frühlingsboten Ausschau hielt. Maddie sang die ganze
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