Sterne über Tauranga - Laureen, A: Sterne über Tauranga
wie diese Männer.
Der Constable nahm alles sorgfältig zu Protokoll, bevor er sich wieder verabschiedete. Prognosen darüber, wann die Kerle hinter Gitter kommen würden, wollte er nicht abgeben. Ricarda gab sich keinen Illusionen hin. Sie vermutete, dass die Übeltäter längst über alle Berge waren.
Auch die gute Molly hatte ihr einen Besuch abgestattet. Jack hatte die Wirtin mitsamt einer Kiste mit persönlichen Sachen aus Ricardas Wohnung herkutschiert, und der Nachmittag war mit dem neuesten Tratsch aus Tauranga wie im Flug vergangen.
Am liebsten empfing Ricarda jedoch Jack am Krankenbett. Sie erwartet ihn stets mit großer Ungeduld. Jeden Morgen stellte er ihr ein Frühstück ans Bett, mittags hielt er stets eine stärkende Suppe für sie bereit, und wenn er abends von seinen Pflichten heimkehrte, setzte er sich zum Abendessen zu ihr und brachte ihr Neuigkeiten. Von dem Angriff auf Borden hatte er ihr allerdings immer noch nicht erzählt. Dafür wagte er sanfte Vorstöße in Richtung Ricardas Vergangenheit.
»Sie haben im Fieberwahn Ihre Eltern erwähnt«, sagte er eines Tages, nachdem er das Fenster geöffnet hatte, damit sie einen Blick auf den verwilderten Garten werfen konnte, der im Abendlicht ganz romantisch wirkte. »Und noch andere Dinge.«
Ricarda spürte, dass sie rot wurde. Dann lächelte sie unbehaglich. »Eigentlich wollte ich das vergessen.«
»Man sollte seine Herkunft nie vergessen. Auch wenn die Erinnerungen daran vielleicht nicht nur angenehm sind.«
Ricarda ahnte, worauf er hinauswollte. Er wollte wissen, was sie von zu Hause fortgetrieben hatte. Und das mit gutem Recht. Sie hatten so viel miteinander gesprochen, aber Ricarda hatte es vermieden, von ihren Eltern und den Beweggründen zu erzählen, die sie hierhergetrieben hatten. Sie wollte sich noch immer nicht eingestehen, dass sie Jack nur zu gern ihr Herz ausschütten würde.
Noch immer blickte er sie abwartend an. »Sie brauchen es mir nicht zu erzählen, wenn Sie nicht wollen«, meinte er schließlich.
Du flunkerst, mein lieber Jack!, dachte Ricarda insgeheim und lächelte. »Meine Eltern wollten mich verheiraten - mit einem Mann, der deutlich älter ist als ich und den ich bis dahin nicht einmal kannte. Sie hofften, mich auf diese Weise von meinem Traum abzubringen, als Ärztin zu arbeiten. Ironischerweise hat mein Vater mir das Medizinstudium ermöglicht. Nach meinem Examen in der Schweiz bin ich in mein Elternhaus zurückgekehrt und fand ihn völlig verändert vor. Er erklärte, er habe mich nur studieren lassen, damit ich mir die Hörner abstoße. Nun sei es an der Zeit, Gehorsam zu zeigen und sich der traditionellen Rolle einer Frau zu fügen. Aber ich wollte mein hart erkämpftes, gutes Examen und die Aussicht auf ein erfülltes Leben als Ärztin nicht gegen ewiges Herzleid eintauschen. Und das alles nur, damit meine Eltern in der Berliner Gesellschaft gut dastehen. Eine fortschrittliche Tochter zu haben ist dort das Schlimmste, was einem passieren kann.«
Jack sah sie lange an. »Ich bin froh, dass Sie einen anderen Weg eingeschlagen haben und ausgewandert sind, Ricarda. Es ist eine schreckliche Vorstellung, dass Sie an der Seite eines Mannes leben sollten, der Sie unglücklich gemacht hätte. Und welch eine Vergeudung von Talent das bedeutet hätte!«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen.« Noch während sie das aussprach, tadelte Ricarda sich, weil ihr keine bessere Antwort eingefallen war. »Ich frage mich manchmal, ob mein Vater mir das Studium nur erlaubt hat, damit ich ihn nicht mit meinem Temperament behellige«, setzte sie hinzu. »Nach allem, was vorgefallen ist, fällt es mir schwer zu glauben, dass er sich von einem Tag auf den anderen so verändert hat. Wahrscheinlich war er noch nie anders.«
Jack griff nach ihrer Hand, und Ricarda hatte weder den Willen noch die Kraft, sie zurückzuziehen. »Gehen Sie nicht zu hart mit ihm ins Gericht! Welchen Beweggrund Ihr Vater auch hatte, er hat der Welt damit eine gute Ärztin geschenkt. Jede seiner Entscheidungen hat zu Ihren Entscheidungen geführt. Auch wenn es hier nicht weniger schwierig ist, Sie haben Ihren Weg gefunden.«
Wenn er da mal nicht zu optimistisch ist, dachte Ricarda, und eine seltsame Unruhe erfasste sie. Ohne dass sie sich dessen bewusst war, strich sie nervös die Bettdecke glatt.
»Ich habe Ihnen einen Vorschlag zu machen«, erklärte Jack unvermittelt.
»Da bin ich aber neugierig!«
»Ich würde Ihnen gern ein Gebäude auf meiner Farm
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